das gutenberg-komplott
tiefen Furche durchzogen.
»Bisher bin ich leider kaum dazu gekommen, mich in meine Aufgaben einzuarbeiten«, sagte Thomas. »Sicher habt Ihr von dem Mordfall gehört?«
Thomas hatte sich bei Fuchs erkundigt, bevor er sich auf den Weg machte. Siegmund stammte aus Bacharach am Rhein. Sein Vater hatte ein Vermögen im Holzhandel verdient, und Sie g mund als jüngster Sohn war von Geburt an für die geistliche Laufbahn bestimmt gewesen. Mit Schenkungen verhalf der Holzhändler seinem Sohn zu raschem Aufstieg. Auch als Sie g mund Abt wurde, habe sein Vater tief in die Tasche greifen müssen. Siegmund galt als entscheidungsfreudig, geschickt im Verhandeln und findig darin, die Interessen des Ordens zu ve r treten.
Die ohnehin beachtliche Furche vertiefte sich, als Siegmund die Augenbrauen zusammenzog. »Ihr meint Klara Roth?«
»Die Suche nach dem Täter nimmt meine ganze Zeit in A n spruch.«
»Ich wünschte, ich könnte Euch helfen«, sagte der Abt.
Sie setzten sich, und der Abt stellte Thomas ein paar belan g lose Fragen über seine Herkunft und seinen bisherigen Werd e gang. Thomas mochte den Mann, der vom Alter her sein Vater hätte sein können und sicher über große Erfahrung verfügte. Er schien keine Vorurteile ihm gegenüber zu haben.
»Kanntet Ihr die Tote?«, fragte Thomas.
Falls die Frage dem Abt unangenehm war, so ließ er sich nichts anmerken. »Selbstverständlich. Ihr Vater steht dem Kaufhaus vor, ich habe häufig mit ihm zu tun. Das Kloster ist ein Wirtschaftsbetrieb, wir bieten unsere Waren im Kaufhaus an, und wir erhalten viele Lieferungen von dort. Karl Roth ist ein zuverlässiger Geschäftspartner, ich schätze ihn sehr. Seine Tochter kannte ich schon, da war sie noch so groß …« Der Abt hielt seine Hand in Höhe des Tisches über den Boden.
»Ich bin für jeden Hinweis dankbar, der mir weiterhilft«, sa g te Thomas.
»Ihr Tod geht mir nahe«, sagte Siegmund. »Außerdem habe ich gehört, dass der Baumeister vermisst wird. Besteht zw i schen den beiden Fällen ein Zusammenhang?«
»Vielleicht. Die beiden hatten ein Verhältnis miteinander.«
Der Abt schaute überrascht auf.
»Offenbar hatte Klara Roth mehrere Männerbekanntschaften dieser Art«, fügte Thomas hinzu.
Zunächst erwiderte Siegmund nichts. Seine Augen waren nun noch wacher, während sie in denen von Thomas forschten.
»Wäre es nicht für die Lösung des Falls wichtig, zu wissen, wer die andern Bekanntschaften waren?«, fragte er.
»Das ist richtig!«
»Kennt Ihr die Namen?«
»Ich kenne sie zum Teil«, sagte Thomas und machte eine v a ge Geste mit der Hand. Siegmund zeigte zunächst keine Reakt i on. Dann stand er auf, verschränkte die Hände auf dem Rücken und ging etwas steif im Raum auf und ab.
»Ich will offen reden«, sagte er. »Obwohl ich mir nicht s i cher bin, wie weit Eure eigene Offenheit geht. Ich weiß nicht, was Ihr wisst – und was Ihr erst noch herausbekommen wollt. Es spielt aber keine Rolle. Denn was ich Euch sage, geschieht u n ter vier Augen. Es gibt keine Zeugen.«
Thomas nickte.
»Ich war einer von Klaras Liebhabern«, sagte der Abt und beobachtete ihn scharf. »Ich dachte mir, dass Ihr es wisst«, fuhr er fort, als eine Reaktion ausblieb. »Und deshalb ist es mir li e ber, wenn wir mit offenen Karten spielen. Ich kann Euch vie l leicht helfen. Aber ich erwarte eine Gegenleistung. Nämlich, dass Ihr Stillschweigen wahrt. Oder weiß noch jemand B e scheid?«
»Nein«, sagte Thomas.
»Ich bin kein Heiliger und hatte nie die Absicht, einer zu werden. Ich ging nicht freiwillig ins Kloster. Die ersten Jahre waren hart, aber je höher man steigt, desto bequemer lebt man. Mein Vater war Geschäftsmann, und das bin ich im Grunde auch: Ich stehe einer florierenden Gemeinschaft vor, die ihren Wohlstand zu einem erheblichen Teil mir verdankt. Auch halte ich wenig vom Zölibat. Was soll an der Ehe schlecht sein? W a ren nicht die Apostel fast alle verheiratet? Ich kenne keine B i belstelle, die das Zölibat rechtfertigt. Aber ich bin gezwungen, meinen Mund zu halten. Stellt Euch vor, es gäbe ein Gesetz, das es Richtern verbietet, zu heiraten. Was macht Ihr, wenn Ihr E u ren Beruf liebt? Zwingt man Euch nicht zur Heimlichtuerei?«
»Ich kann schweigen«, sagte Thomas.
»Dann will ich zur Sache kommen. Ich hoffe, dass der Mö r der gefunden wird, und ich habe eine Vermutung. Sie basiert auf einem Gespräch zwischen Klara und mir. Für gewöhnlich war sie zurückhaltend, gab wenig von sich preis.
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