das gutenberg-komplott
– Wie sieht’s mit Frauen aus?«
»Ich lebe wie ein Mönch.«
»Ist für einen Mann in Eurem Alter nicht gut. Schlägt aufs Gemüt und macht melancholisch.«
Die Alte trat näher heran und blickte ihm in die Augen. » A ber alles in allem seid Ihr gesund. – Was ist nun mit Klara?«
»Erzählt mir alles, was Ihr über sie wisst.«
»Stellt mir Fragen!«
Sie schien über den Mord informiert zu sein. »Kam Klara oft hierher?«, fragte Thomas.
»Etwa einmal in der Woche, manchmal häufiger.«
»Weshalb?«
»Ich war ihre Lehrerin.«
»Worin?«
»Kräuterkunde. Schaut Euch nur um! Sie war eine gute Sch ü lerin. Sehr interessiert. Sehr aufmerksam.«
»Viele hielten Klara für eine Hexe.«
»Dann ging es ihr wie mir.« Sie lachte.
»Stört Euch das nicht?«
»Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Mit den Jahren gewöhnt man sich an alles.«
»Und Klara?«
»Sie regte sich darüber auf. Mach dir nichts draus, hab ich immer gesagt, das gibt sich.«
»Wer kommt sonst noch zu Euch?«
»Jeder, der meine Hilfe braucht, kann kommen.«
»Ihr behandelt Krankheiten?«
»Ausschließlich! – Schöne Augen habt Ihr.«
»Was für Krankheiten?«
»Atembeschwerden, Verdauungsschwierigkeiten, Schme r zen … was sich mit Kräutern heilen oder lindern lässt.«
»Kommen auch Leute, die Zaubermittel verlangen?«
Sie lachte erneut wie ein Kind. »Die schicke ich wieder weg.«
»Ihr glaubt nicht an übernatürliche Kräfte?«
»Im Gegenteil. Ich glaube an die Kräfte, die in der Natur li e gen.«
Unvermittelt fasste sie an seine Haare. »Mein Liebster hatte solche Locken.«
Thomas verbarg seine Irritation. »Klara wollte in Eure Fu ß stapfen treten?«
»Man muss sich über Wasser halten.«
»Was habt Ihr ihr beigebracht?«
»Alles. Ich werde nicht mehr lange leben. Ich wollte ihr mein gesamtes Wissen weitergeben.« Sie fuhr kurz mit ihrer Hand, die sich rau anfühlte, über seine Wange.
»Soweit ich weiß, hat Klara auf dem Mainzer Markt Kräuter verkauft?«
»Auch Salben und Rezepte. Sie stand erst am Anfang. Die Geschäfte liefen nicht schlecht. Schlimm, dass sie sterben mus s te .«
»Wie habt Ihr von ihrem Tod erfahren?«
»Von einem Bauern. Er hat’s auf dem Markt gehört. So was spricht sich rum.«
»Hat Klara mit Euch über ihr Privatleben gesprochen?«
»Sie hatte keine Geheimnisse vor mir.«
»Gar keine?«
»Fast keine«, sagte die Alte leichthin.
»Sie sprach auch mit Euch über die Männer, die zu ihr k a men?«
»Ich habe sie beraten. Sie hat meine Erfahrung und mein Wissen geschätzt. – Wir müssen uns nicht im Stehen unterha l ten. In meinem Alter strengt das an.«
Sie nahmen an einem Tisch Platz. Die Krähe beäugte Th o mas argwöhnisch. »Wenn Klara über alles mit Euch gesprochen hat: Kennt Ihr dann auch die Namen der Männer, die zu ihr k a men?«
»Das waren drei.«
»Nur drei?«
»Reicht doch, oder?«
»Hat sie von den Männern Geld bekommen?«
»Nicht nur Geld. Ein kluger Mensch ist auch an Naturalien interessiert und an Dienstleistungen.«
»Das habt Ihr ihr geraten?«
»Mit den Jahren lernt man, Vor- und Nachteile einer Sache realistisch einzuschätzen.«
»Klara hörte auf Euch?«
»Sie hat bei verschiedenen Gelegenheiten gemerkt, wie wer t voll meine Empfehlungen sind. Sie hat sich auf mich ve r lassen – und ist gut damit gefahren.«
»Was sprang für Euch dabei heraus?«
Sie lächelte. »Doch, Ihr seht blass aus. Ich werde Euch jetzt was zur Stärkung bringen.«
»Nicht nötig. Um noch mal auf die Liebhaber zu kommen …«
»Ich bestehe darauf.« Sie stand auf und füllte einen Holzb e cher aus einem Krug, der in der Nähe des Feuers stand. Sie stellte den Becher vor Thomas auf den Tisch. »Trinkt!«
Die Flüssigkeit roch seltsam nach irgendwelchen Gewürzen, die er nicht kannte. Er wollte nicht unhöflich sein und nahm einen Schluck. Es schmeckte süß und scharf gleichze i tig.
»Was ist das?«
»Kräfte aus der Natur, die Euren Organismus stärken. Nicht so zögerlich! Trinkt!«
Er nahm noch einen Schluck. »Drei Liebhaber, sagtet Ihr? Könnt Ihr mir die Namen nennen?«
»Ich dachte mir, dass Euch das interessiert.«
»Bitte spannt mich nicht auf die Folter.«
»Ihr seid jung und ungestüm. Warum habt Ihr es so eilig?«
Die Krähe visierte ihn immer noch mit feindseligem Blick. Sie hatte den Kopf ein wenig eingezogen. Er nahm einen weit e ren Schluck von der dunklen, etwas zähen Flüssigkeit.
»Wollt Ihr mir nicht helfen, den Mörder
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