das gutenberg-komplott
die Leute zum Schweigen zu bringen. Busch trug eine andere Uniform als sonst, er wirkte festlich gekleidet. Als er endlich zu Wort kam, zählte er das Sündenregister der drei Landstreicher auf, das nicht nur die beiden Morde u m fass te .
Busch beschrieb ausführlich, wie man die drei gefangen g e nommen hatte. Diese Aktion schien von höchster Dramatik g e wesen zu sein und konnte nur aufgrund der Verdienste einer Person (Busch selbst) so vorzüglich gelingen. Danach pries er die Verdienste des Bischofs, dessen unerbittliche Haltung S i cherheit und Recht für die Bürger garantierten. Thomas beo bac h tete die drei Männer, die neben den Karren standen. Man hatte ihnen die Arme auf den Rücken gebunden. Zwei hielten die Köpfe gesenkt. Nur einer blickte um sich und schien nicht b e reit, sich in sein Schicksal zu fügen.
Als Busch fertig war, hielt sich die Begeisterung in Grenzen, zustimmendes Gemurmel, ein paar Rufe. Die Leute waren nicht gekommen, um Reden zu hören. Drei Landstreicher, dachte Thomas. Das war nicht ungeschickt, denn die drei hatten keine Angehörigen, niemand würde sie verteidigen und niemand ve r missen.
Als sie auf den Karren stiegen, wurde es laut. Man warf Ste i ne und schlug mit Stöcken nach ihnen. Die Wachleute mussten eingreifen.
Thomas hielt nach Katharina Ausschau, konnte sie aber ni r gendwo sehen. Der Henker ließ sich Zeit, damit das Volk auf seine Kosten kam. Er war schwarz gekleidet und hatte das G e sicht eines Mannes, der gern und reichlich isst. Er stieg auf den ersten Wagen und legte einem der drei eine Schlinge um den Hals und band ihm ein Tuch vor die Augen. Der Henker stieg vom Wagen. Er ging nach vorn und nahm einen Stock. Seine Bewegungen wirkten routiniert, würdevoll, als zelebriere er ein Hochamt. Er schlug dem Ochsen mit dem Stock in die Seite.
Unwillig setzte sich das Tier in Bewegung. Der Wagen machte einen Ruck, die Räder rollten an, entzogen dem Gefe s selten den Boden, auf dem er stand, er fiel, zappelte mit den Beinen, schrie auf, dann fasste das Seil sein Genick, und er baumelte in der Luft. Der Galgen wackelte kurze Zeit beängst i gend, aber er hielt.
Es gab beim Hängen, wie Thomas wusste, zwei Todesarten. Jenen, die Glück hatten, brach gleich das Genick, und sie hatten einen schnellen, vergleichsweise schmerzlosen Tod. In ma n chen Fällen aber brach das Genick nicht, und dann war der Tod lang und qualvoll. Das Opfer erstickte. Der erste Landstreicher rüh r te sich nicht mehr. Sein Körper schwang noch ein wenig hin und her, aber das kam von der Fallbewegung.
Von dem Karren ganz links ging der Henker zum rechten Karren und wiederholte die Prozedur. Das Volk war stiller g e worden. Bald baumelte ein zweiter Körper in der Luft. Auch diesmal verlief alles problemlos.
Jetzt ging der Henker zum Galgen in der Mitte. Dort stand jener, der von den dreien der größte war. Er hatte lange Haare, die wild in alle Richtungen standen. Er wollte sich nicht die Schlinge über den Kopf ziehen lassen. Er schrie den Henker an und wollte vom Karren springen. Gleich waren zwei Wachleute bei ihm und hielten ihn fest, während der Henker den Strick in die gewünschte Position brachte. Es gelang ihnen nicht, dem Mann ein Tuch um die Augen zu binden. Dann stiegen der Henker und die Wachen vom Wagen.
»Ich bin unschuldig!«, schrie der Mann.
Der Henker versetzte dem Ochsen einen kräftigen Schlag. »Ich verfluche den Bischof. Ich verfluche alle seine Helfer!«, schrie der Landstreicher.
Er verlor den Boden unter den Füßen und fiel. Aber der Ruck mit dem Seil war nicht kräftig genug. Der Mann zappe l te in der Luft und sein Kopf lief rot an, seine Gesichtsmu s keln arbeiteten. Kein Laut war mehr zu hören, nicht mal ein Räu s pern. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er sich nicht mehr bewegte …
Als Thomas seine Wohnung erreichte und die Tür aufschli e ßen wollte, hörte er von drinnen Gerlindes Stimme. Er hatte das Mädchen ganz vergessen. Sie legte Holz aufs Feuer, als er ins Zimmer trat. Gerlinde richtete sich auf und lächelte ihm zu.
»Ich bin entlassen«, sagte Thomas und warf den Beutel auf den Tisch.
Sie schaute ihn verständnislos an.
»Ich bin nicht mehr Richter«, sagte er. »Genau genommen war ich es nie. Der Kurfürst hat mich aufgefordert, die Stadt zu verlassen.«
»Und ich?«, fragte sie leise.
»Das tut mir sehr Leid.«
»Ich hab immer Pech.« Sie hielt die linke Hand an den R ü c ken, als habe sie dort Schmerzen, mit der anderen fuhr
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