das gutenberg-komplott
Verdacht?«, fragte Thomas.
»Es gibt Leute, die mich nicht mögen. Aber keiner ist reich genug, um eine Werkstatt zu finanzieren. Es muss jemand sein, der über sehr viel Geld verfügt! Ich habe Schulden aufgeno m men in Höhe von etwa eintausendvierhundert Gulden.«
Thomas überschlug, dass sein Vater, der ein erfolgreicher Geschäftsmann war, wahrscheinlich nicht einmal ein Viertel davon aufbringen konnte.
»Zunächst müssen wir den Verräter finden«, sagte Gute n berg.
»Wir haben einen Kreis von zwölf Männern, der in Frage kommt«, sagte Thomas. »Einer von ihnen hatte ein Verhältnis mit Klara Roth. Übrigens: Jeder in der Stadt weiß, dass Ihr an einer Erfindung arbeitet. Nehmen wir an, jemand aus Mainz will hinter Euer Geheimnis kommen und benutzte Klara Roth für seine Zwecke. Sie verführte im Auftrag dieses Unbekannten einen Eurer Männer und entlockte ihm sein Wissen. Dann hat der Verräter eventuell keinen Kontakt zu jenem oder jenen, die im Hintergrund die Fäden ziehen.«
»Gut möglich«, sagte Gutenberg. »Diese Aufzeichnungen, von denen Ihr gesprochen habt … Ich würde sie gern sehen. Ich bin mit der Materie vertraut. Vielleicht kann ich aus den Ang a ben etwas herauslesen.«
Thomas hatte die Pläne zwischenzeitlich im Gericht dep o niert. »Das ist ein guter Gedanke. Ich bringe sie morgen vo r bei.«
Katharina lag noch im Schlaf, als sie ein Schellen hörte. W o her kam das? Sie erkannte die Stimme des städtischen Ausr u fers. Katharina versuchte weiterzuträumen, aber sie merkte gleich, dass es nicht gelingen würde. Etwas Besonderes musste g e schehen sein. Sie schaute auf die geschlossenen Läden und b e mer k te, dass es nicht mehr so früh war, wie sie gedacht hatte. Fahles Licht sickerte durch die Ritzen. Sie stand auf, öffnete den L a den ihrer Kammer und legte sich wieder hin. Kalte Luft drang ins Zimmer. Sie konnte den Rufer zwar nicht sehen, aber gut hören. Es dauerte noch eine Weile, bis er zur Sache kam. Durch das offene Fenster sog Katharina die ersten Gerüche des Mo r gens ein. Etwas Verbranntes, wahrscheinlich Milch. Sie hörte Stimmen aus den angrenzenden und gegenüberliegenden Hä u sern. Ihr Fenster lag zum Innenhof, den jemand mit eiligen Schritten Richtung Marktplatz durchquerte.
Der Ausrufer wartete, bis sich genügend Zuhörer versammelt hatten. »Der Kurfürst gibt bekannt«, rief er schließlich, »dass die Verbrecher, die unsere Stadt in Atem gehalten haben, g e fasst sind. Zwei Morde gehen auf ihr Gewissen.« An dieser Stelle musste er warten, denn das Gemurmel der Stimmen wu r de zu stark. Katharina, auf dem Bett liegend, mit geschlossenen Augen, stellte sich vor, wie sie auf dem Platz die Köpfe z u sammensteckten, und jeder dem andern ins Wort fiel. Der Au s rufer schellte, und schließlich wurde es wieder ruhiger.
Erst mit Verzögerung wurde Katharina klar, was sie gerade gehört hatte. Sollte Thomas über Nacht Erfolg gehabt haben? Oder die Stadtwache? Die Mörder meiner Schwester, schoss es ihr durch den Kopf.
»Die Soldaten unseres Fürsten«, fuhr der Rufer fort, »haben die drei Räuber gejagt und aufgegriffen. Sie liegen in Ketten und warten auf ihr Schicksal.«
»An den Galgen!«, forderte man.
Katharina richtete sich im Bett auf. Sie zog sich hastig an und eilte nach unten in den großen Wohnraum, wo sich das F a mili e n leben abspielte. Er lag im ersten Stock, und man sah von dort auf den Marktplatz.
Die Fenster waren geöffnet, vor dem einen standen ihre be i den Schwestern, vor dem andern ihr Vater und ihre Mutter. Sie ging zu ihren Schwestern, die sie nicht weiter beachteten, und stellte sich auf die Zehenspitzen. Die Fenster der Häuser, die den Marktplatz säumten, waren fast alle geöffnet und Köpfe schauten hervor. An einigen verschlafenen Gesichtern und wi r ren Haaren erkannte Katharina, dass sie nicht die Einzige war, die der Ausrufer aus dem Bett geworfen hatte.
Eine Menschentraube umringte den Ausrufer. »Sie sind Schwerverbrecher«, fuhr er fort. Er trug ein blaues Wams mit kurfürstlichem Wappen, und aus dem Hut bog sich eine siche l förmige Feder. Nach zahllosen Dienstjahren wirkte seine Kle i dung verblichen und fadenscheinig.
»Der Bischof hat über sie Rat gehalten und persönlich das Urteil gefällt. Sie sind des zweifachen Mordes schuldig!« Wenn der Ausrufer den Kopf zurückwarf, schwankte die Feder, und er mochte sich elegant und w ie ein Edelmann vorkommen.
»Hängt sie! Hängt sie!«
Der Ausrufer
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