das gutenberg-komplott
welchem Stockwerk er suchen musste.
»Er kann nicht beide Ausgänge gleichzeitig bewachen«, sa g te Thomas, »den im Erdgeschoss und den im ersten Stock.«
»Wenn er sich im Treppenhaus aufhält«, erwiderte Kathar i na, »wird er uns trotzdem erwischen.«
»Was sollen wir tun?«
»Hier bleiben.«
»Und wenn er zurückkommt und Verstärkung mitbringt?«
»Das Risiko müssen wir eingehen.«
Sie suchten ihre Kleider zusammen. Thomas beobachtete sie verstohlen. Er fragte sich, ob Katharina Recht hatte.
»Wir bleiben hier«, sagte sie noch einmal. »Wir warten, bis es dunkel wird, und dann verschwinden wir. Ich glaube nicht, dass er Verstärkung holt. Er hat Angst, dass wir in der Zw i schenzeit verschwinden. Ich an seiner Stelle würde das Kau f haus nicht verlassen.«
»Du setzt voraus, dass er allein ist.«
»Eine andere Chance haben wir nicht.«
27.
G
utenberg rechnete jeden Moment mit dem Besuch se i nes Geldgebers. Er musste Fusts Zweifel zerstreuen. Gute n bergs Schulden betrugen eintausendvierhundert Gulden. Ihm schwirrte der Kopf, wenn er an die Höhe des Betrags dac h te. Manchmal hatte er Angst zu scheitern. Allein die techn i schen Aspekte der Erfindung reichten aus, ihn zur Verzwei f lung zu treiben. Wann hatte er zum letzten Mal einen heiteren, unb e schwerten Tag erlebt?
Sonnenstrahlen fielen durch die Seitenfenster der guten St u be und warfen Lichtflecke auf den Boden. Er freute sich über die Aufhellung, leicht abergläubisch wie er war. Er dachte an seine Mitarbeiter. Er hatte sie mit großer Sorgfalt gewählt, als seien sie seine Jünger, seine Erben, in denen seine Kunst we i terleben würde. Und doch hatte einer ihn betrogen.
Wenn ich ihn zu fassen kriege, bringe ich ihn um, hatte er letzte Nacht gedacht, als er wach lag. War er dazu fähig? Noch nie in seinem Leben hatte er eine solche Wut gespürt, das stand fest.
Seine Hitzköpfigkeit hatte ihm manchen Ärger eingebracht, und er hatte gelernt, sie zu kontrollieren. Aber wenn es um se i ne Erfindung, sein Werk ging, verstand er keinen Spaß. Er konnte nicht abschätzen, wozu er, wenn ihn der Zorn packte, imstande war. Er liebte die Werkstatt, das Knarren der Presse, das R a scheln des Papiers, die metallischen Klänge aus der Schriftgi e ßerei.
Maria erschien und kündigte Fusts Besuch an. Das geschah mehr pro forma, denn der Finanzier folgte ihr auf dem Fuß. Er benahm sich, als sei er hier zu Hause, als gehörten der Hof und die Werkstatt bereits ihm. Gutenberg unterdrückte seinen A r ger.
»Mein lieber Fust!« Er ging mit ausgestreckten Armen auf den Geschäftsmann zu und schüttelte ihm die Hand. Maria zog sich leise zurück und schloss die Tür.
»Gibt es Fortschritte?«, fragte Fust.
Gutenberg wusste, dass er sich an die direkte Art seines Geldgebers nie gewöhnen würde. Fust war etwa sechzig Jahre alt und klein von Statur. Er kleidete sich sorgfältig und sprach langsam und gewählt; seine Auffassungsgabe aber war schnell. Er erkannte bei einem Problem sofort den entscheidenden Punkt, wie Gutenberg bei verschiedenen Gelegenheiten festste l len konnte. Dann funkelten, wenn er zuhörte, unter seinen b u schigen Brauen blaue Augen unruhig hin und her, und sein ka n tiges Kinn schob sich noch ein Stück weiter nach vorn. Keiner konnte ihm etwas vormachen.
»Wir kommen zügig voran«, sagte Gutenberg.
Er spürte Fusts misstrauischen Blick. In gewisser Weise ve r stand er den Finanzier. Er hatte fast sein ganzes Vermögen i n vestiert und konnte sich einen Fehlschlag nicht leisten. Fust wusste, dass dem Buchdruck die Zukunft gehörte. Er war als Kaufmann herumgekommen und auf der Höhe seiner Zeit. Die Städte strebten empor, überall wurden Universitäten gegründet. Fusts eigener Reichtum basierte darauf, dass er lesen, schreiben und vor allem rechnen konnte. Langfristig versprach das G e schäft mit Büchern riesige Gewinne. Ein neuer Markt würde entstehen, und Fust schätzte die Zahl der potenziellen Käufer sehr hoch ein, wie er oft betonte. Gutenbergs handwerkliche Fähigkeiten bestritt er nie, hatte sogar den Aufbau der Werkstatt und die Lösung der technischen Probleme eine herausragende Leistung genannt. Aber nie verbarg er seine Zweifel darüber, ob Gutenberg genug vom Geschäft verstand.
»Wann sind die ersten Bibeln fertig?«, fragte Fust. »Wann können wir mit dem Verkauf beginnen?«
Gutenberg hatte mit dieser Frage gerechnet, denn sie kam so sicher wie das Amen in der Kirche. »Ich hoffe, dass wir
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