das gutenberg-komplott
nicht zu viel zumuten durfte. Der Hof und die Wer k statt würden unb e wacht sein. Zumindest bis die Männer vom Feiern zurückkamen – also nicht vor den frühen Morgenstu n den. Das waren wenige Stunden, in denen sie handeln mus s ten. Bologna hatte die Akt i on genau geplant. Henning würde sie durchführen.
Was das Versteck betraf, musste er Henning dankbar sein; das hatte er gut eingefädelt. Wenn alles gelang und wenn der Papst starb – dann endlich begann seine große Zeit …
Wenige Menschen begegneten Thomas, der allein in seiner Mönchskutte durch die Kälte stapfte. Er und Katharina waren bei anbrechender Dunkelheit aus dem Kaufhaus entkommen. Die Flucht verlief so problemlos, dass Thomas dem Frieden nicht traute. Er hatte sie zum Haus der Eltern begleitet, wo sie sich trennten. Mittlerweile kannte Thomas seinen Weg durch die Gassen besser. Die Synagoge bot einen Orientierungspunkt, und er näherte sich Gutenbergs Hof ohne Umwege.
Thomas erreichte die Gasse, in der das Anwesen des Erfi n ders lag, betrat sie aber nicht. Bei der Werkstatt eines Seilm a chers blieb er stehen. Es war mittlerweile finster, aber trotzdem bemerkte er bald einen Mann, der den Eingang zu Gutenbergs Wohnhaus bewachte.
Vielleicht war es einer der Männer, die ihn letzte Nacht übe r fallen hatten. Gab es noch weitere Aufpasser? Thomas unterdrückte Rachegedanken; er musste kühlen Kopf bewa h ren.
Gutenbergs Anwesen grenzte an zwei Gassen. Hatten sie in jeder eine Wache aufgestellt? Thomas ging zweimal ums Eck in die Gasse, die parallel zu derjenigen verlief, in der er den Mann gesehen hatte. Der hintere Teil des Gebäudekomplexes schien unbewacht zu sein. Er ging auf den lang gestreckten, bis zum ersten Stock mit Holzschindeln verkleideten Bau zu, dessen oberer, aus Fachwerk errichteter Teil reparaturbedür f tig wirkte. Selbst in der Dunkelheit konnte er bemerken, dass an einigen Stellen der Lehm abbröckelte und die tragenden Balken sich bedenklich nach außen wölbten. Bei einem der Fenster zu eb e ner Erde entdeckte er Lichtstreifen, die durch einen geschloss e nen Fensterladen fielen. Thomas klopfte.
»Wer ist da?«, fragte eine helle Stimme, und er erkannte, dass es Maria war.
Er nannte seinen Namen, während er sich umschaute. Sie öffnete den Laden einen Spalt breit, stieß ihn wieder zu, und das Licht verschwand. Es dauerte lange, bis durch die Bretter des Ladens erneut Helligkeit drang, und diesmal erkannte Th o mas Gutenbergs Stimme. Thomas erklärte ihm, dass er verfolgt we r de, dass man den Haupteingang bewache und dass er durchs Fenster einsteigen müsse – denn eine Tür gab es auf dieser Se i te nicht. Der Laden öffnete sich, Thomas sah das Gesicht des Mädchens mit den großen, ungläubigen Augen und neben ihr Gutenberg, der eine Kerze in die Höhe hielt. Thomas zog sich an der Fensterbank hoch; Gutenberg fasste ihn an beiden A r men und half ihm ins Zimmer.
»Was ist passiert?«, fragte Gutenberg. »Ich habe Maria für verrückt erklärt.«
»Macht den Laden zu«, sagte Thomas. »Dann erzähle ich a l les.«
Gutenberg verriegelte den Laden. Sie ließen Maria in der Kammer, die als Nähstube diente, zurück, durchquerten einen Flur und traten vor das Gebäude in den Innenhof. Zum ersten Mal sah Thomas die Werkstatt von weitem, einen Flachbau, in dem noch Licht brannte.
»Vor dem Wohngebäude hält ein Mann Wache«, sagte Th o mas.
»Allein?«
»Ja.«
»Dann hole ich meine Leute!«
»Das wäre vorschnell! Lasst uns reden.«
Sie gingen über den Hof und an der Werkstatt vorbei. »Man kundschaftet Euch aus«, sagte Thomas. »Wann Ihr kommt, wann Ihr geht, wer Euch besucht. Es gibt jemanden, der das alles ganz genau wissen möchte.«
»Als hätte ich nicht Ärger genug am Hals.« Gutenbergs Stimme klang mürrisch. »Mein Geldgeber setzt mich unter Druck. Wahrscheinlich bin ich bald ruiniert.«
Sie betraten auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs das Wohngebäude und gingen in den Raum, in dem Thomas und Gutenberg sich bereits früher aufgehalten hatten. Gutenberg machte kein Licht und stellte sich an den Fensterladen. Es gab dort eine Ritze, durch die er nach draußen spähen konnte. La n ge Zeit war es still. Dann sagte Gutenberg: »Da steht er! Ich sehe ihn.«
Thomas hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und das Bein au s gestreckt.
»Manchmal wünschte ich«, sagte Gutenberg müde, »ich hä t te von der Erfindung die Finger gelassen. Es ist eine verrückte Mischung aus Dummheit und
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