das gutenberg-komplott
in etwa einem Jahr soweit sind.« Das war eine sehr optimistische Schä t zung. Sie waren noch immer nicht über die geschichtlichen B ü cher des Alten Testaments hinausgekommen, die ganzen pr o phetischen Schriften lagen noch vor ihnen und das g e samte Neue Testament.
»Das ist zu lange«, sagte Fust. »Ihr müsst schneller arbe i ten.«
Gutenberg hob beide Arme. »Noch mehr kann ich den Mä n nern nicht zumuten. Wir arbeiten sechs Tage die Woche vom frühesten Morgen bis tief in die Nacht. Mittlerweile sogar son n tags den halben Tag. Wenn das öffentlich wird, steht mir Ärger mit der Geistlichkeit ins Haus. Wir haben die Grenze unserer Belastbarkeit erreicht.«
»Hört, Gutenberg! Ihr hattet versprochen, im Herbst fertig zu sein: und zwar dieses Jahr!«
»Das war auch mein Ziel. Aber wir bewegen uns auf einem Gebiet, wo es keine Vorbilder gibt. Es ist, als ob man ein ne u es Land erforscht, das noch nie ein Mensch betreten hat. Wir m a chen gute Fortschritte. Am Gelingen gibt es keinen Zwe i fel.«
»Es geht nicht nur ums Gelingen«, belehrte ihn Fust. »Bei Geschäften spielt die Zeit eine wichtige Rolle.«
Gutenbergs Ärger wuchs. Er war von seinem Selbstverstän d nis her nicht nur Erfinder, sondern auch Geschäftsmann. Er ha t te in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er Geschäfte machen konnte, zum Beispiel mit den Spiegeln. Fusts Beme r kung zeigte einmal mehr, wie wenig er ihm in kaufmännischer Hinsicht zutraute. Er fühlte sich behandelt wie ein Lehrjunge. »Wir werden Gewinne machen und den Verlust durch die Ve r zögerung ausgleichen.«
»Das höre ich seit mehr als einem Jahr«, sagte Fust. »Aber solange wir nichts verkaufen, reden wir von totem Kapital. Mein Geld liegt brach.«
»Ihr vergesst, dass ich Euch auch die Zinsen schulde.«
»Die sind nicht hoch. Da könnte ich mein Geld Gewinn bri n gender anlegen. Nein, mir geht das zu langsam. Und ich will Euch auch sagen, woran es liegt. Die Arbeiten würden schneller vorankommen, wenn Ihr es nicht zu genau nehmen würdet.«
»Dann könnte ich den Laden gleich dichtmachen«, sagte G u tenberg. »Bei mir gibt es keinen Pfusch.«
»Es geht nicht um Pfusch. Ich war als Kaufmann für die Qualität meiner Waren bekannt. Aber man kann es auch übe r treiben. Ihr hättet zum Beispiel kein Pergament kaufen sollen. Das war ein Fehler. Die Lieferschwierigkeiten haben uns um W o chen zurückgeworfen.«
»Wie hätte ich das vorhersehen können?!«
»Papier hätte es auch getan.«
»Mittlerweile drucken wir den größten Teil auf Papier.«
»Aber warum nicht gleich?«, fragte Fust.
»Pergament ist besser. Und es hält länger.«
»Aber Papier ist billiger in der Anschaffung. Ihr habt unnötig die Kosten in die Höhe getrieben.«
»Ihr wisst, warum ich mich für Pergament entschieden h a be«, sagte Gutenberg. »Wir werden mit unseren Bibeln auf Skepsis stoßen. Besonders in den Klöstern. Deshalb orientiere ich mich an den Handschriften. Das gilt auch für das Material.«
»Feinheiten!«, entgegnete Fust scharf. »Ihr seid zu peda n tisch. Ich habe doch gesehen, wie lange Ihr an einem Buchst a ben herumfeilt. Es wäre keinem Menschen aufgefallen, wenn hier und da ein Schnörkel fehlt.«
»Es geht um die Bibel.«
»Reden wir von der Bibel. Wie weit seid Ihr?«
»Beim zweiten Buch der Könige.«
»Nach meinem Zeitplan wolltet Ihr schon bei den Chroniken sein!«
»Die Spindel an einer Presse ist gebrochen. Ich musste sie durch eine neue ersetzen.«
»Lag keine zum Ersatz bereit?«
»Das kam völlig unvorhergesehen …«
»Kosten?«
»Fast keine. Nur das Material.«
»So rechnet ein Geschäftsmann nicht. Die Presse stand still. Die Männer hatten nichts zu tun. Das sind Kosten!«
Gutenberg spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Hätte er nur damals das Geld nicht so dringend gebraucht! Aber kein anderer wollte das Risiko eingehen.
»Ich kann die Ausreden nicht mehr hören«, sagte Fust. »Was ich bemängele, sind grundlegende Dinge. Ich verlange, dass Ihr Eure Arbeitsweise ändert! Es war ein Fehler, die Bibel zu dr u cken. Sie ist zu umfangreich. Ein Messbuch hätte es auch getan oder ein Stundenbuch. Auch mit Heiligenlegenden hätten wir schnell Geld verdient. Schluss jetzt mit Feinheiten! Die Welt geht nicht unter, wenn sich hier und da ein Fehler ei n schleicht. Die Schriftsetzer müssen schneller arbeiten und auch der Ko r rektor. Wenn die Qualität der Farbe mal nachlässt – was soll’s! Wir müssen bei gleichem
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