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das gutenberg-komplott

das gutenberg-komplott

Titel: das gutenberg-komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: born
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befindet sich die Urform des Buchstabens, eine in Metall geprägte Hohlform. Beim Abguss entsteht der Buchstabe seitenverkehrt, und später, beim Druck, erscheint er wieder in der gewohnten Weise.«
    »Schwätz nit!«, sagte Kurt, der Schriftgießer. »Das versteht man sofort, wenn man’s sieht.«
    Er nahm eine Kelle mit Holzgriff zur Hand und schöpfte aus einer Vertiefung im Schmelzofen flüssiges Metall. Eine Seite des Ofens stand offen. Ein kräftiges Feuer loderte und knisterte. Behutsam ließ er die zähe Flüssigkeit in das geschlossene Gie ß gerät fließen. Kurt – mit rötlichem Widerschein im Gesicht – wartete eine Weile, ehe er die Form auseinander klappte und der Buchstabe mit hellem Klang auf den Beistelltisch fiel.
    »Haste gesehen!«, sagte er zufrieden. Er fasste die bereits abgekühlte Letter mit zwei Fingern und zeigte sie Thomas.
    Gutenberg zog ihn weiter. »Man kann beliebig viele Abgüsse des Ur-Buchstabens herstellen, die sich gleichen wie ein Ei dem andern«, erklärte er. »Ich vergleiche es mit der Herstellung von Münzen, nur dass wir ein anderes Verfahren anwenden.«
    »Eigenartig«, meinte Thomas, »es ist, als ob die Dinge ihre Individualität verlieren.«
    Gutenberg zuckte mit den Schultern, und sie kamen zu zwei Männern auf der anderen Seite des Raumes. Sie standen vor schrägen, in umgekehrter V-Form gegeneinander gestellten Holzkisten. In quadratischen Fächern unterschiedlicher Größe lagen Metallbuchstaben, wie Thomas sie eben beim Schriftgi e ßer gesehen hatte. Drei weitere Männer arbeiteten an ähnlichen Kästen.
    »Richard und Bernd, zwei meiner Setzer. In den Fächern li e gen die Lettern. Wir benutzen fast dreihundert Zeichen, also etwa zehnmal so viel, wie das lateinische Alphabet kennt. Das erklärt sich durch die Abkürzungen und Buchstabenverbindu n gen, von denen ich vorhin sprach.«
    Die Männer hielten einen länglichen Gegenstand aus Holz in der linken Hand, während sie mit der rechten in die Fächer gri f fen, kleine Metallstücke hervorholten und auf dem Holzgerät nebeneinander anordneten. Gelegentlich warfen sie einen Blick auf die Textvorlage, die an einer speziellen Halterung befestigt war. War das Holzgerät voll, legten die Setzer die Lettern in einer Metallform ab. So reihte sich Zeile an Zeile.
    Thomas hörte gespannt zu, denn er interessierte sich nicht nur für die technischen Details, die ihm Gutenberg erklärte, sondern er versuchte, sich einen Eindruck von den Mitarbeitern zu verschaffen.
    »Wer hat die Schrift entworfen?«, fragte Thomas.
    Gutenberg zog die Brauen hoch. Thomas hatte eine Frage gestellt, die ihm gefiel. »Ich selbst, in Anlehnung an eine Han d schrift, die ich mir aus einer Klosterbibliothek besorgt habe. Das Entwerfen der Schrift war ein langwieriger Prozess. Erst nach unzähligen Versuchen auf Papier stand für mich fest, wie die Schriftzeichen aussehen sollen.«
    Sie gingen weiter zu zwei großen Geräten am hinteren Ende der Werkstatt, wo vier Männer arbeiteten.
    »Dieser Teil meiner Erfindung wirkt am imposantesten«, sa g te Gutenberg. »Trotzdem hat mich die Presse weniger Zeit und M ü he gekostet als die Entwicklung einer gut funktionierenden Schriftgießerei. Man darf sich durch die Größe nicht tä u schen lassen. Der Bau der Spindelpresse war vergleichswe i se einfach. Ich habe mich mit einem Schreiner zusammengesetzt, der vo r her Weinpressen für Winzer gefertigt hat. Viel kompl i zierter und mühevoller in der Entwicklung waren auch hier die aus Metall gefertigten Teile.«
    Thomas betrachtete die fast bis zur Decke reichenden M a schinen. Vor einer der beiden blieben sie stehen.
    »Ich möchte Euch Hermann und Eckhart vorstellen. Jener rechteckige Bereich, den Eckhart gerade mit zwei Lederballen schwarz einfärbt, entspricht später mehreren Buchseiten. Die Druckform ist beweglich, sie befindet sich auf dem so genan n ten Schlitten. – Wir mussten spezielle Begriffe entwickeln, d a mit die Verständigung klappt. – Das Papier, das bedruckt we r den soll, befestigen wir im Rahmen, der gleich heruntergeklappt wird. Eine Weile habe ich damit experimentiert, das Papier a b zureiben, zum Beispiel mit Hilfe einer Rolle, aber die Ergebni s se waren unbefriedigend.
    Und nun aufgepasst! Auf dem Schlitten schiebt Eckhart die Druckform samt Papier unter die Spindel mit der Metallplatte. ›An die Presse geben‹ nennen wir das. Der nächste Arbeit s schritt ist körperlich anstrengend und verlangt Kraft. Ein Fall für

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