das gutenberg-komplott
nicht ähnlich? Ihre Tanzpartner wechselten. Als einer nach Katharinas Brust fasste, stieß sie ihn weg. Überall Fahnen, und ein Betrunkener rannte wie irr durch die Menge und brüllte Unverständliches.
Ein groß gewachsener Mann, als Wilder verkleidet, fasste Katharina bei den Hüften, tanzte ein paar Schritte mit ihr und warf sie in die Luft, als gehöre das zum Tanz. Plötzlich landete sie auf seiner rechten Schulter. Sie strampelte mit den Beinen, und die Umstehenden lachten. Der Wilde Mann drehte sich im Kreis, dass ihr schwarz vor Augen wurde. Niemand kam ihr zu Hilfe, es gab höchstens ein paar begeisterte Zurufe. Katharina wurde von panischer Angst gepackt. Sie schlug um sich und wollte sich befreien, aber es war zwecklos. In ihrer Verzwei f lung biss sie dem Wilden ins Ohr. Er schrie auf und ließ sie fa l len. Sie rannte los, bis sie ihn aus den Augen verloren hatte.
Katharina stand unter Schock. Einen Moment lang hatte sie gedacht: Der verstellt sich gar nicht, der ist wirklich so. Und ihr wurde klar, dass heute alles erlaubt war, dass ihr nicht nur ni e mand zu Hilfe kam, sondern die Sympathien galten dem Ung e heuer; man spornte es noch an, ordentlich zuzupacken und we i terzumachen. Sie beschimpfte sich selbst wegen ihres Leich t sinns.
Katharina beschloss, auf schnellstem Weg zum Kaufhaus zu gehen. Sie hatte den Marktplatz fast überquert. In diesem A u genblick wurde sie an den Armen und Beinen gepackt. Man hob sie hoch. Diesmal waren es zwei. Sie erkannte den Wilden wi e der, der sie an den Armen festhielt, während ein kleinerer, stämmiger Mann in der Maske eines Dämons ihre Beine u m klammerte. Die wenigen, die der Szene Beachtung schenkten, lachten. Einer fasste nach Katharinas Rock, um ihn hochzuzi e hen.
Sie wehrte sich, so gut sie konnte, obwohl sie wusste, dass es zwecklos war. Der Wilde Mann warf sie über die Schulter, hielt aber diesmal ihre Hände fest, und der Dämon sorgte dafür, dass sie mit den Beinen nicht um sich treten konnte. Ihr Kopf hing auf einem zottigen Fell, das widerlich roch. Wenn sie den Kopf nach links drehte, sah sie ein schwarzes Gestrüpp aus Bart und Haaren, aus dem das Weiß der Augen hervorleuchtete. Die be i den trugen sie aus der Menge heraus in eine Seitengasse.
30.
D
as ist die Schriftgießerei«, sagte Gutenberg. Er legte e i nem klein gewachsenen Mann mit grauem Bart, der bei einem Schmelzofen saß, die Hand auf die Schulter. Ein zweiter Mann saß ebenfalls bei einem Ofen, neben dem ein Bl a sebalg lag. »Kurt hat früher Waffen hergestellt und kennt sich mit Metallen aus. Anton war Gol d schmied, bevor er zu mir kam. – Hier entstehen die Buchstaben, mit denen wir dr u cken.«
Thomas war zum ersten Mal in der Werkstatt. Der rechteck i ge Raum hatte eine niedrige, von Holzbalken getragene Decke und viele Fenster. Da es draußen dunkel war, sorgten Öllampen und Kerzen für Helligkeit. Es roch nach Ruß. Die Gerätscha f ten, die er sah, wirkten auf Thomas fremdartig. Er zählte neun Männer bei der Arbeit, die sich lautstark unterhielten – zwei weitere, die neues Papier holten, waren ihnen gerade im Hof begegnet. Thomas fragte sich, ob er jetzt zu Gutenbergs eng s tem Kreis zählte.
»Wir orientieren uns so eng wie möglich am Vorbild der Handschriften«, sagte Gutenberg. »Deshalb stellen wir nicht nur Einzelbuchstaben her, sondern auch Buchstabenverbindu n gen und Abkürzungen. Dieser Kringel zum Beispiel ersetzt die l a teinische Endung -us. – Hier, die sind schon abgekühlt!«
Gutenberg drückte Thomas einige längliche Metallbrocken in die Hand. »Wir schmelzen und mischen verschiedene M e talle. Ich habe lange experimentiert, bis ich eine Mischung fand, die meinen Ansprüchen genügt. Die Buchstaben werden stark bea n sprucht, und am Anfang brachen sie zu schnell. Hauptsäc h lich verwenden wir Blei; auch Zinn ist ein wichtiger Bestan d teil.«
Thomas betrachtete das Metallstück in seiner Hand. Der Buchstabe selbst machte den kleinsten Teil aus. Er saß auf e i nem länglichen Metallkörper, der als Träger diente.
Gutenberg griff nach einem faustgroßen Gegenstand, der auf einem Beistelltisch lag. »Das Gießgerät hat mich unendlich viel Mühe gekostet!«, sagte er. Thomas erkannte ein Instrument wieder, von dem in den Plänen die Rede war. Es bestand zum Teil aus Holz und zum Teil aus Metall. Gutenberg klappte es auseinander und zeigte auf eine Röhre. »Durch diese Röhre fließt das Metall. Ganz unten, kaum zu sehen,
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