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das gutenberg-komplott

das gutenberg-komplott

Titel: das gutenberg-komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: born
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Hermann! Am Ende der Holzspindel befindet sich eine M e tallplatte. Hermann fasst den Hebel mit beiden Händen, er stemmt den rechten Fuß gegen die Presse, und nun, mit einer tausendfach geübten Bewegung, setzt er Spindel und Metal l platte in Bewegung und sorgt dafür, dass das Papier auf die Druckform gepresst wird. Jetzt fährt Hermann die Spindel z u rück, zieht den Schlitten unter der Presse hervor, klappt den Rahmen nach oben – und fertig sind gleich mehrere Se i ten.«
    Thomas trat näher und betrachtete das noch vor wenigen Augenblicken völlig leere Blatt. Es war zweispaltig mit Buc h staben bedeckt, die schwarz und feucht glänzten. Selbst ein g e übter Schreiber hätte dafür viele Stunden gebraucht. Und hier, als habe eine Zauberhand den Text übers Papier geweht, vol l zog sich der Vorgang in wenigen Augenblicken.
    Hermann löste das Blatt vom Rahmen, in dem es winzige Metallstifte festhielten, und hängte es über eine Leine. Dort b e fanden sich schon andere Blätter, und der Anblick erinnerte Thomas an Wäschestücke.
    »So kann die Tinte trocknen«, erläuterte Gutenberg. »Und schon legt Eckhart den nächsten Bogen ein.«
    Gutenberg wollte weitergehen, aber Thomas war so fasz i niert, dass er den Druckprozess ein zweites Mal beobachtete.
    »Wir drucken kein beliebiges Buch«, sagte Gutenberg, »so n dern die Bibel. Der Text ist heilig. Ich lege auf saubere Arbeit größten Wert.«
    Hermann zog erneut den Hebel der Presse, während er sich mit dem Fuß abstützte. Er hatte die Ärmel seiner Jacke nach oben gekrempelt. Schweißperlen h atten sich auf seiner Stirn ge bildet und liefen ihm übers Gesicht. Während des Druckvo r gangs spannten sich die Muskeln seiner behaarten Arme.
    »So viel zum groben Aufbau der Werkstatt. Und jetzt scha u en wir meinem Korrektor über die Schulter. Er arbeitet in der kle i nen Kammer nebenan, weil er sich konzentrieren muss und nicht durch den Lärm gestört werden soll, der hier herrscht.«
    Sie betraten den angrenzenden Raum. Ein Mann mit weißen Haaren und gekrümmtem Rücken stand an einem Pult beim Fenster. Er hatte die Nase dicht über ein Blatt gebeugt und machte mit einer Schreibfeder Notizen am Blattrand.
    »Was er da gerade macht, sehe ich nicht gern«, sagte Gute n berg, und Thomas merkte, dass er halb im Scherz und halb im Ernst sprach. »Das kleine Tintenfass am Pult enthält nämlich rote Farbe, und jedes Mal, wenn er einen Fehler entdeckt, ma r kiert er die betreffende Stelle und macht Randnotizen. Im schlimmsten Fall müssen wir die Seite komplett neu setzen. Das kostet viel Zeit.«
    »Man kann es dir nie recht machen«, erwiderte der alte Mann, ohne von seinem Blatt aufzuschauen. »Finde ich nichts, fragst du, wofür du mich überhaupt bezahlst; und streiche ich etwas an, meckerst du auch.«
    »Du kennst mich doch. Wenn ich nichts zu meckern habe, stimmt was nicht.«
    »Es ist kein Zuckerschlecken, für dich zu arbeiten; da hast du wohl Recht.«
    »Er ist der beste Korrektor, den ich mir wünschen kann«, sagte Gutenberg. »Ihm entgeht nichts. Ich will einen fehlerfre i en Text. Wie viele Schreibfehler habe ich schon in Handschri f ten entdeckt! Entweder der Schreiber übersieht sie, oder sie bleiben stehen, weil eine Korrektur hässlich aussehen würde. Wenn wir den Fehler rechtzeitig entdecken, lässt er sich im günstigen Fall mit kleinem Aufwand beheben, indem man zwei, drei Lettern austauscht.«
    »Im günstigen Fall …«, wiederholte der Alte spöttisch.
    Einer der Männer, die hier arbeiten, dachte Thomas, ist ein Verräter. Vielleicht sogar der Mörder …

31.
     
    K
    atharina hatte es aufgegeben, sich zu wehren. Wenn sie u m Hilfe rief, lachten die Umstehenden. Als Kin d fürcht e te sie sich vorm Wilden Mann: Sie kannte ihn aus Sagen und Mär chen; kein Ritterroman, in dem der Held nicht gegen eines dieser Ungeheuer kämpfte, das Gegenbild zum Ri t ter und zum Bürger, Monster und doch Mensch. Später entdec k te sie ihn auf Wandteppichen, als Skulptur an Häuserfassaden, als Schnit z werk auf Minnekästchen und im Chorgestühl – und fand die Figur zunehmend faszini e rend.
    Katharina hing auf seiner Schulter und die Welt stand Kopf. Er stieß seltsame Laute hervor. Die Masken der Hexen, Zaub e rer, Teufel und Dämonen flogen verzerrt an ihr vorbei, Facke l lichter wirbelten durcheinander; das war nicht die Stadt, in der sie sonst lebte, man hatte die Türen aufgestoßen in eine gehe i me, verborgene Welt.
    Ihre Entführer trugen

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