Das Habitat: Roman (German Edition)
Unfall. Ich habe nie Näheres darüber erfahren. Meine Mutter aber wollte mich zu Freunden bringen, bei denen ich versteckt werden sollte. So lange, bis alles vorüber wäre, hatte sie gesagt. Außerdem wollte sie sich mit jemanden treffen. Ich wusste damals nicht mit wem. Nun aber glaube ich, es waren diese Leute von der Gemeinschaft der Suchenden.“
Mein Blick musste Überraschung gezeigt haben, denn sie erklärte:
“Es war ihr nicht anzusehen, dass sie eine Bewahrerin war.“
Ich verstand was sie meinte. Auch an Eileen konnte man die Mutationen schließlich nicht auf den ersten Blick erkennen. Erst in Ennis, in der Schützenden Hand, war damals erkannt worden, dass sie Verwachsungen hatte. Es war also durchaus vorstellbar, dass sie sich den Mitgliedern der Gemeinschaft gegenüber als eine der ihren hatte ausgeben wollen. Doch der Absturz des Copters hatte ihre Pläne durchkreuzt.
„Der Absturz“, fragte ich. „War das ein Unfall, oder...“
Sie hob nur ganz leicht die Schultern.
„Ich weiß es nicht. Ich habe seither oft darüber nachgedacht. Normalerweise kann ein Aerocopter nicht abstürzen. Sie verfügen über eine sehr ausgefeilte Sicherheitstechnik. Aber ich habe keinen Beweis für eine Manipulation an den Schaltungen – von wem auch immer.“
„Aber du glaubst, dass Donahugh etwas damit zu tun hat?“, fragte ich. „Und auch am Tod deines Vaters. Habe ich recht?“
„Was ich glaube ist unerheblich.“, wischte sie meinen Einwand beiseite. „Ich kann nichts beweisen. Und bald werde ich zum Festland gebracht.“
Ich sah sie überrascht an. Sie zuckte nur leicht mit den Achseln.
„Ich wurde offenbar unbequem – habe zu viele Fragen gestellt. Meine Zugangsberechtigung zum System wurde auf ein Minimum beschränkt. Sobald ein Platz für mich gefunden wurde, werde ich fortgebracht“
Ihr ernster Blick ruhte auf mir. Dann wanderte er hinüber zu Sarina und ihren Vater – und schließlich wieder zurück zu mir.
„Aber etwas habe ich vorher doch herausgefunden. Ich weiß woran mein Vater gearbeitet hat. Er hat erforscht weshalb bei den Bewohnern des Habitats nur so wenige Kinder geboren werden, obwohl nachweislich keinerlei Gen–Defekte vorliegen. Und er fand offenbar heraus, weshalb manche Bevölkerungsteile langsam völlig auszusterben scheinen.“
Erneut wanderte ihr Blick hinüber zu den anderen beiden.
„Jemand manipuliert die Geburtenrate.“
Sie machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr:
„Jemand spielt Gott. Und dieser Jemand glaubt das Recht zu haben, bestimmen zu dürfen, wer Nachkommen haben darf – und wer nicht.“
„Die Kirche!“, stieß ich mit plötzlich ausgedörrter Kehle hervor.
Eileen aber schüttelte kaum merklich mit dem Kopf.
„Nein. Ich glaube es ist Donahugh selbst, der dahinter steckt. Er, und sicher auch einige seiner engsten Vertrauten. Die Kirche ist nur das Mittel zum Zweck. Die Bischöfe und Priester wissen nicht, was sie tun. Zumindest die meisten wohl nicht. Dennoch scheinen sie diejenigen zu sein, welche die perfiden Pläne Donahughs ausführen – wenngleich auch in Ahnungslosigkeit. Sie verteilen schließlich die Hostien. Und diese enthalten Hormonbeigaben in unterschiedlichen Mengen.“
Als sie unsere verständnislosen Blicke sah, erläuterte sie:
“Mittel in unterschiedlichen Dosen, die den Hostien zugesetzt werden. Sie können die Geburtenrate minimieren – oder in manchen Fällen eben nahezu vollständig unterdrücken. Bis hin zur völligen Sterilität. Die Priester glauben nur Medikamente zu verabreichen. Impfungen und Stärkungen des Immunsystems, um Krankheiten vorzubeugen. Und in manch einem Fall mag das sogar stimmen. Donahugh aber ist dem Wahn verfallen, für eine Reinheit der Gene und der Rassen sorgen zu müssen. Er hat einen Traum von einer fernen Zukunft – und diesen versucht er nun mit allen Mitteln zu verwirklichen. Ich fand eine verschlüsselte Datei, mit der Bezeichnung Reinerhaltung der Arten. Ich erhielt jedoch keinen Zugang. Doch erinnere ich mich, dass diese Bezeichnung fiel – damals, als meine Eltern Donahugh ihren Verdacht mitteilten“
Bitter klangen ihre Worte, bei diesem letzten Satz. Es war das erste Mal, dass Eileen ihre Gefühle, nicht mehr völlig zu verbergen vermochte.
Mir schoss ein Gedanke durch den Sinn: Folge dem Weg des Heiligen Abendmahls. Hatte das Marten nicht damals gesagt? Nun war es umso wichtiger, dass ich meinen Vater fand. Die Gemeinschaft musste wissen, was ich eben erfahren hatte.
Weitere Kostenlose Bücher