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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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die Kirschbäume geblüht hatten, jetzt war es bald wieder soweit, und Tinchen hatte ihren Florian noch immer nicht gekriegt. Vor meinem Unfall hatte ich die beiden auseinandergebracht, und nun wußte ich nicht mehr, wie ich das geradebiegen sollte.
    Tinchen räkelte sich immer noch. Seit exakt zweieinhalb Monaten. Langsam müßte sie damit aufhören und was anderes tun. Aber was? Herrgott noch mal, warum hatte ich mir als Hobby ausgerechnet die Schriftstellerei ausgesucht, statt Briefmarken zu sammeln oder Kakteen zu züchten? Die wachsen von alleine. Im Gegensatz zu Büchern. Die wachsen nicht von alleine, und sie wachsen überhaupt nicht, wenn man den Ablieferungstermin im Nacken hat. Das beste wäre, ich würde Tinchen im Meer ersaufen lassen, dann hätten sie und ich es überstanden. Geht aber nicht, ein heiterer Roman hat nicht tragisch aufzuhören, sondern heiter. Also mit Happy-End.
    »Happy-End ist kitschig«, sagte Katja, als sie sich meinen letzten intakten Kugelschreiber auslieh. »Denk mal an die ›Dornenvögel‹. In der letzten Folge haben sie alle bloß geheult, und gestorben sind sie reihenweise. So was ist jetzt ›in‹.«
    Also doch Tod im Mittelmeer? Wäre sogar ein guter Titel, aber wohl mehr was für einen Krimi. Außerdem lebte Tinchen ja noch, ganz abgesehen davon, daß man an einem vollbesetzten Strand nicht ertrinken kann. Da mußte sie erst mal weg.
    »Mami, wie schreibt man Rekonvaleszent?« Vorsichtshalber war Nicki in der Tür stehengeblieben. Es konnte ja sein, daß ich im Augenblick nicht zu orthographischer Hilfestellung aufgelegt war. War ich auch nicht. »Guck doch im Duden nach!«
    »Wenn ich nicht weiß, wie man es schreibt, finde ich es nicht.«
    Auch wieder wahr. »V-a-l-e-s-z und dann ent.«
    »Danke. Mit c oder mit k?«
    »Mit k. Und jetzt raus!!«
    Tinchen räkelte sich immer noch. Die hatte es gut! Ich würde auch lieber mein Bein in den heißen Sand legen statt auf das kratzende Kissen. Ob ich mir mal die Reiseprospekte vom letzten Sommer holen sollte? Bestimmt lagen sie noch im Keller, wenn sie nicht ebenfalls der Flutkatastrophe zum Opfer gefallen waren. Quatsch, nützt ja doch nichts. Ich brauche mehr als nur ein Dutzend Hochglanzfotos zur Inspiration, wie ich Tinchen in Florians Arme treiben konnte, wo sie nach meinem und Verlegers’ Willen hingehörte. Vom vorzeitigen Ableben meiner Heldin war ich inzwischen abgekommen.
    Ich humpelte in die Küche und kochte Kaffee. Als die Tasse leer war, war ich noch immer nicht inspiriert.
    Dafür war der Aschenbecher voll. Soviel hatte ich schon lange nicht mehr geraucht. Und immer noch keine zündende Idee. Konzentriere dich endlich, Mütterchen, sonst wird dein Tinchen von der Sonne mumifiziert.
    Was tat sie überhaupt am Strand? Ach ja, sie räkelte sich. Klingt sowieso doof, muß man streichen. Im Bett räkelt man sich, keineswegs unter Leuten. Das ist unfein. Ich x-te den Satz durch. Jetzt blinzelte Tinchen in die Sonne, aber an der Situation als solcher änderte das auch nichts.
    Vor dem Fenster brach die Dämmerung herein. Nachbars Kinder schmissen Schneebälle auf den Balkon. Einer knallte an die Scheibe. Hoffentlich trafen sie das nächste Mal besser. Eine kaputte Fensterscheibe wäre eine großartige Entschuldigung, den Schreibtisch zu räumen. In einem kalten Zimmer kann man nicht schreiben. In einem warmen auch nicht.
    Ich zog den Bogen aus der Maschine, legte mich aufs Bett und knipste mich aus. Zum Teufel mit Tinchen, mit Verlegers, mit Manuskripten und Terminen – immerhin war ich gerade erst dem Krankenhaus entronnen und noch Rekonvaleszent. Mit s-z.
    Kurz bevor sich zwischen meinen Zehen die ersten Anzeichen von Schwimmhäuten bildeten, schmiß ich den ganzen Kram hin. Halb Deutschland hatte ich schon auf dem Standfahrrad durchquert, war mindestens einmal durch den Ärmelkanal geschwommen, und mit der Energie, die mich meine täglichen Gymnastikstunden gekostet hatten, hätte ich einen Winter lang unser Haus beheizen können. Und was hatte diese ganze Plackerei gebracht? Gar nichts.
    »Halb sieben!« sagte Sascha, wenn er hinter mir herging.
    »Was soll das heißen?«
    »Überleg mal, wie die Zeiger stehen, wenn es sechs Uhr dreißig ist.«
    Ich tat es und wurde wütend. »Ist es meine Schuld, daß das rechte Bein nach der Operation fünf Millimeter länger geworden ist?«
    »Du humpelst aber für mindestens fünfzig.«
    Ich schleppte drei Paar Schuhe zum Schuster und ließ den linken Absatz erhöhen. Danach

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