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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Blümchen, die er zur Begrüßung überreicht hat, wieder zurück ins Hotel tragen; er muß den VIP zum Dinner führen, vom Friseur abholen und dafür sorgen, daß eine polizeiliche Genehmigung vorliegt, aufgrund derer der prominente Gast auch in der Fußgängerzone mit dem Wagen vorfahren kann.
    Diese Art Job ist bei den davon Betroffenen nicht gerade beliebt. Er kostet Zeit, Nerven und viel Selbstbeherrschung, weil der prominente Gast häufig gar nicht so nett ist, wie man geglaubt hatte.
    Kein VIP zu sein hat aber auch seine Vorteile. Man muß nicht schon morgens in voller Kriegsbemalung das Frühstückszimmer betreten, weil einen sowieso keiner kennt. Man kann beim Stadtbummel vor einem Billigladen stehenbleiben und ungeniert die Sonderangebote prüfen. Man darf das Nobelrestaurant links liegen lassen und statt dessen im nächsten Imbiß eine Currywurst essen, und man braucht vor allem keine Sorge zu haben, ob man auch überall erkannt und entsprechend gewürdigt wird. Prominente Autoren fühlen sich schon auf den Schlips getreten, wenn bei ihrem Eintreffen im Hotel der Geschäftsführer nicht sofort mit dem Gästebuch auf sie zueilt.
    Der lauwarmen Anfrage des Verlags, ob ich einen Babysitter brauche oder nicht vielleicht doch allein zurechtkäme, hätte es gar nicht bedurft. Ich wollte keinen, und Herr Adler, dem diese Aufgabe zugefallen wäre, war mir dafür sehr dankbar. Zu den Lesungen werde er selbstverständlich kommen, das sei ihm ein Vergnügen und keine Pflicht (er kann sehr überzeugend schwindeln!), und bei nicht vorhersehbaren Pannen sei er immer erreichbar. Anbei drei Telefonnummern.
    Stefanie hatte noch zwei Wochen Urlaub gut und eine sehr verschwommene Vorstellung vom Ruhrgebiet. Südlich der Mainlinie kannte sie bis zu dreitausend Kilometer Entfernung schon eine ganze Menge, in nördlicher Richtung war sie noch nie über Wiesbaden hinausgekommen. Außerdem baute ich auf ihren Pfadfinderinstinkt, der sie auch in fremden Gegenden an das erwünschte Ziel bringt. Meistens!
    Unsere erste Etappe hieß Mönchengladbach. Kein Problem, da führt die Autobahn direkt vorbei. Gemächlich zuckelten wir durch die Landschaft und kamen am frühen Nachmittag an den ersten großen Kreisel.
    »Wir müssen Richtung Neuss«, sagte ich zu Steffi, denn ich hatte die Karte gründlich studiert.
    »Wir müssen Richtung Düsseldorf«, widersprach Steffi, denn auch sie hatte die Karte gründlich studiert. Es mußte aber eine andere gewesen sein, weil urplötzlich die Autobahn zu Ende war und wir am Stadtrand von Leverkusen standen. Eine halbe Stunde später befanden wir uns auf dem Weg nach Remscheid.
    »Also nee«, moserte meine Tochter, »jetzt weiß ich wenigstens, weshalb das Ruhrgebiet so verschrien ist. Hier sind alle Schilder so angebracht, daß man sich einfach verfahren muß!«
    »Erstens sind wir noch gar nicht im Ruhrgebiet, und zweitens habe ich dir schon vor zwanzig Minuten gesagt, daß das die falsche Richtung ist. Jetzt laß mich mal ans Steuer!«
    Inzwischen war es vier geworden und Mönchengladbach noch in weiter Ferne. Die Rush-hour setzte ein, zeitweilig kamen wir nur schrittweise voran, aber das spielte nun auch keine Rolle mehr, wir befanden uns ohnehin schon wieder auf der falschen Autobahn.
    Der Zufall in Gestalt eines Lastwagenfahrers brachte uns dann doch noch auf den richtigen Weg. Wie wir hatte er einen Parkplatz mit der dringend gesuchten Wellblechhütte angefahren, er kannte sich hier in der Gegend aus und konnte uns weiterhelfen. Bei der nächsten Betonbrezel sollten wir rechts ab und dann gleich wieder rechts und auf der linken Spur bleiben (oder so ähnlich), Steffi notierte alles gewissenhaft – und warf den Zettel zusammen mit dem ganzen Automüll in den Papierkorb. Das merkten wir erst nach zehn Kilometern, und deshalb halte ich es auch heute noch für ein Wunder, daß wir nicht nur Mönchengladbach fanden, sondern auch noch das richtige Hotel.
    »Das ist aber süß«, sagte Steffi beim Anblick des weinlaubumrankten Hauses.
    Schon vom Volumen her paßte die Bezeichnung »süß« absolut nicht zu diesem alten Gemäuer, aber mir gefiel es ebenfalls. Endlich mal nicht so ein kastenförmiger Zweckbau mit seiner sterilen Atmosphäre.
    Innen hielt das Hotel noch mehr, als sein Äußeres versprochen hatte. Ein grünes Dirndl überreichte uns den Schlüssel, ein rotes Dirndl brachte uns die Koffer hinauf, ein braunes Dirndl erkundigte sich, ob wir vielleicht für den Abend einen Videofilm haben

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