Das hätt' ich vorher wissen müssen
bestätigte ich. Trotzdem mußte ich Katja recht geben. Diese weiß-rosa Röhre mit den Nudelstreifen, einem Liegestuhlbezug nicht unähnlich und wahrscheinlich in einem Anflug von geistiger Umnachtung gekauft, hatte ich noch nie getragen und würde es vermutlich auch nie tun. Aber das konnte ich nicht zugeben, denn nach Ansicht meiner Töchter habe ich sowieso keinen Geschmack, was sie allerdings nicht hindert, bei jeder Gelegenheit kräftig zuzulangen. Als die beiden kürzlich ins Theater gingen und sich vor dem Abmarsch bei mir einfanden, um Eintritts- und Verpflegungsgeld für McDonald’s abzuholen, traute ich meinen Augen nicht. Zu meiner schwarzen Hose trug Katja eine Bluse von mir und dazu die Lederkrawatte von ihrem Vater. Meinen weißen Blazer hatte sie über dem Arm hängen. Nicki hatte sich zwar mit ihrem eigenen Rock begnügen müssen, weil sie bei mir nichts Geeignetes gefunden hatte, aber den Glitzerpullover kannte ich nur zu gut. Plötzlich schoß sie wie ein Habicht auf mich zu. »Da ist er ja!« Ungeduldig zerrte sie an meinem Gürtel. »Wenn du ihn selber trägst, kann ich natürlich lange suchen!«
Selbstverständlich handelt es sich hierbei um Ausnahmen. Niemals würden sie meine karierte Hemdbluse anziehen, höchstens unter dem blauen Pulli, weil man da nur den Kragen sieht, und der paßt farblich recht gut dazu, aber der hellgraue Pullover, den ich mir neulich gekauft hatte, war ja nun wirklich das Allerletzte! Vor der nächsten Tanzstunde war er aus meinem Schrank verschwunden. Genau wie der Seidenschal, den mir Rolf mal aus Brüssel mitgebracht hatte. »Pink mit Grau«, hatte Katja damals verächtlich gesagt, »so was hat Frau Schmidt immer auf dem Kopf, wenn sie Kühe melken geht.«
Jedenfalls hatte ich mir angewöhnt, vermißte Kleidungsstücke zuerst in den Schränken der Zwillinge zu suchen oder im Wäschekorb, wo ich sie meistens auch fand, oft genug mit den Spuren von Cola oder schwarzem Eyeliner verziert.
Zumindest in dieser Hinsicht waren Stefanies Teenagerjahre unproblematischer gewesen. Sie hatte sich nur aus dem Schrank ihres Vaters bedient und mit Vorliebe Pullover getragen, die ihr vier Nummern zu groß gewesen waren. Seine Shorts hatte sie in der Taille irgendwie zusammengewurstelt und als knielange Radfahrerhosen benutzt, und eines Tages war sie dahintergekommen, daß sich sogar seine Krawatten als lässig geschlungene Gürtel verwenden ließen. Selbst ein paar von Rolfs Wollstrümpfen hatte ich in ihrem Schubfach gefunden. Steffi hatte sie so lange mit heißem Wasser bearbeitet, bis sie auf Damenskisöckchengröße geschrumpft waren.
Was also trägt die Frau von Welt zur Dichterlesung? Etwas Seriöses? Nein, nicht schon wieder das Beerdigungskostüm! Oder sollte ich mich auf Künstler trimmen, zu denen ich nach Ansicht unserer Steuerberaterin ohnehin gehörte? Woran erkennt man Künstler? Beuys trug Hut, Elton John trägt Sonnenbrillen, Nena Netzstrümpfe, Cleo von allem etwas, aber davon möglichst wenig. Ich besaß von allem nichts, womit sich die Frage des künstlerischen Outfits von selbst erledigte.
Wie immer stieß ich bei Rolf auf Verständnislosigkeit, als ich seinen Rat einholen wollte. »Es ist doch völlig egal, was du anziehst, das meiste davon sieht man eh nicht.«
»Nur ihr Frauen kriegt es fertig, knielange Stiefel für hundertachtzig Mark zu kaufen, einen Hosenanzug für dreihundert drüberzuziehen und das Ganze dann unter einem Maximantel für vierhundert zu verstecken.«
Gegen diese Behauptung muß ich entschieden protestieren! So teuer war die Kombination gar nicht gewesen, weil ich nämlich eine Freundin habe, deren Freund eine Boutique hat. Da bekomme ich immer Prozente.
Steffi rief an und bat um einen zweiten Koffer, ihrer sei zu klein.
»Was willst du denn alles mitschleppen? Wir sind sechs Tage unterwegs und nicht sechs Wochen.«
»Ich hab mir ein ganz tolles Kleid gekauft, aber das knautscht so, wenn ich es noch reinquetsche. Dafür brauche ich einen extra Koffer.«
Du lieber Himmel, jetzt fing sie auch schon an durchzudrehen! Ich hatte meine Tochter als Reisebegleitung angeheuert, weil ich es mir ziemlich langweilig vorstellte, den ganzen Tag allein in einer fremden Stadt herumzuhängen und darauf zu warten, daß es Abend wird. Prominente Autoren, die wegen ihres Bekanntheitsgrads angeblich nicht allein über die Straße gehen können, bekommen natürlich einen offiziellen Begleiter gestellt. Er muß den Star vom Flugplatz abholen und die
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