Das hätt' ich vorher wissen müssen
ihr eine Ahnung, was man unter einer Buchpremiere zu verstehen hat?« fragte ich beiläufig am Mittagstisch.
»Na, irgendwo ‘ne Veranstaltung, wo ein Buch ausgezeichnet wird. Kriegst du etwa einen Preis?«
»Ich habe Premiere gesagt und nicht Prämierung.«
»Man kann sich doch mal verhören.« Beleidigt rührte Katja in ihrem Kartoffelbrei.
»Warum fragst du danach?« erkundigte sich Rolf.
»Weil der Verlag mit den ›Pellkartoffeln‹ eine Berlin-Premiere vorhat und ich nicht weiß, was das überhaupt ist.«
»Was soll das schon sein? Vermutlich werden sie die Bücher zuerst dort auf den Markt werfen und abwarten, wie die Leser darauf reagieren. Ist ja auch naheliegend, weil die Handlung in Berlin spielt.«
»Ob ich da hin muß?«
»Wozu denn? Oder willst du dich auf den Kudamm stellen und dein Werk selber verhökern?«
Das Thema war so lange vom Tisch, bis der Brief kam. Ihm entnahm ich die Mitteilung, daß ich am 18. März nach Berlin zu fliegen – Ticket anbei – und mich ins Hotel Sowieso zu begeben hätte, wo ich mit Frau Schöninger zusammentreffen würde. Weder kannte ich Frau Schöninger, noch wußte ich, in welcher Eigenschaft sie mir beigeordnet wurde, aber das war nun auch egal, ich kam mir ohnedies schon vor wie seinerzeit bei der Kinderlandverschickung, als man mich – Schild mit Ankunftsziel um den Hals – in einen Zug Richtung Süden gesetzt und dann meinem Schicksal überlassen hatte.
Es ging noch weiter! Um elf Uhr würde mich ein Herr Kronenburger vom Sender Freies Berlin aufsuchen zwecks Interview für eine Magazinsendung. Ihm sollte ein Herr Ichweißnichtmehrwie von der BZ folgen, der dann von einem Herrn Lüders von der Bild-Zeitung abgelöst werden würde. Für den Abend war die »Buchpräsentation im Berlin-Museum« vorgesehen. Am nächsten Tag sollte noch ein Rundfunkinterview stattfinden, aber diesen Termin bemerkte ich zum Glück erst später.
Meine erste Reaktion war Ablehnung. Das kannst du nicht, also machst du das auch nicht, am besten kriegst du eine Grippe oder Zahnschmerzen oder lieber gleich einen Nervenzusammenbruch, dann bringt man dich wenigstens in die Klapsmühle, wo du spätestens nach dem 18. März sowieso landen wirst. Mein bisher einziger öffentlicher Auftritt hatte sich darauf beschränkt, als stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende der Bad Randersauer Grundschule Preise für hervorragende Leistungen zu verteilen, und da hatten sich die Kandidaten mehr für die Bücher interessiert als für meine Ansprache. Und jetzt sollte ich zwei Tage lang quasi im Mittelpunkt stehen, Interviews geben, womöglich noch in Kameras lächeln? Nie!!!
»Never say never«, sagte Rolf, nachdem er den Brief gelesen hatte. »Natürlich mußt du das machen. Du hast dir die Suppe eingebrockt, nun löffle sie gefälligst auch allein aus.«
»Du kommst doch mit nach Berlin?«
Er lächelte maliziös. »Ich denke gar nicht daran! Erstens habe ich keine Zeit, zweitens keine Lust, mich tagelang als ›Herr Sanders‹ apostrophieren zu lassen, und drittens muß sich jemand um den Hühnerstall hier kümmern.«
Der Hühnerstall protestierte. »Wir sind jetzt wirklich alt genug, auch mal selber fertig zu werden. Du kannst doch Mami nicht allein fahren lassen!«
»Doch, kann ich! Außerdem ist sie ja gar nicht allein, da würde ich nur stören.«
Heißa, klang da nicht ein bißchen Eifersucht durch? Worauf denn bloß? Auf ein paar Zeitungsreporter? Oder auf die Tatsache, daß zum erstenmal ich die Hauptperson sein würde und nicht er?
Dabei hatte er sich noch nie daran gestoßen, wenn ich bei offiziellen Einladungen, zu denen er mich aus Prestigegründen mitgeschleift hatte, »weil sich das nun mal so gehört«, als Mauerblümchen irgendwo herumgestanden und mich erbärmlich gelangweilt hatte.
Na schön, dann eben nicht! Ich würde also allein ins kalte Wasser springen müssen, und das war vielleicht auch ganz gut, dann wurde wenigstens niemand aus der Familie Zeuge meiner Blamage!
Kurz nach acht Uhr sollte die Maschine starten, um halb sechs fuhr ich los. Mit einem normalen Auto ist man von uns bis zum Frankfurter Flughafen eine gute Stunde unterwegs, mein kurzatmiger Goliath brauchte aber länger, außerdem war ich bisher immer von Stuttgart aus geflogen, kannte den Frankfurter Terminal also gar nicht, und überhaupt gehört zu meinen wenigen positiven Eigenschaften, daß ich immer und überall pünktlich bin. Diese Gewohnheit wird übrigens nicht von jedem geschätzt. Drücke
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