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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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heute noch gern gelesen, und wann ich denn wohl damit fertig sei? Na, die würden sich wundern! Vielleicht sollte ich mich doch auf der bevorstehenden Buchmesse blicken lassen und den maßgeblichen Herrschaften persönlich verklickern, daß ihre und meine Vorstellungen von dem neuen Opus offenbar ziemlich weit auseinanderdrifteten.
    Zum erstenmal betrat ich die riesigen Messehallen mit dem Gefühl meiner eigenen Wichtigkeit. Natürlich war ich schon in früheren Jahren gelegentlich hergekommen, aber da hatte ich mich zum Fußvolk zählen müssen, vor dem sich immer erst mittags die Pforten öffnen. Jetzt war ich aber zum sofortigen Eintritt berechtigt, schließlich gehörte ich nun dazu.
    Davon mußte ich allerdings erst den Zerberus am Eingang überzeugen. »Ham Sie’n Ausweis?«
    »Nein.«
    »Denn könn Se nich rein!«
    »Ich bin aber Autorin.«
    »Det sagen se alle.«
    »So viele Autoren gibt’s ja gar nicht.«
    »Ebent!« Er drehte mir den Rücken zu und grüßte freundlich zwei Vertreter des fernöstlichen Kulturkreises, die sich mit deutlich sichtbaren Anstecknadeln als befugt ausweisen konnten.
    »Vielleicht könnten Sie am Stand von meinem Verlag anrufen?« bohrte ich erneut.
    »Nee, kann ich nich.«
    »Und warum nicht?«
    »Seh’n Sie hier etwa ‘n Telefon?«
    Was nun? Zweieinhalb Stunden warten, bis sich die Tore auch für das niedere Volk öffneten? Um diese Zeit wollte ich eigentlich schon wieder auf der Heimfahrt sein. Wenn ich doch bloß beweisen könnte… Moment mal! Im Wagen auf der Hutablage fuhr doch immer ein Exemplar meines Buches mit spazieren – schön sichtbar, damit man auch den Titel lesen konnte. Ein bißchen ausgeblichen von der Sonne war es ja, aber vielleicht würde es doch seinen Zweck erfüllen. Also rein in den Pendelbus, zurück zum Riesenparkplatz, Auto gesucht, nach mehreren Irrläufen auch gefunden, wieder in den Bus und wieder in die Halle.
    Der schnauzbärtige Kontrolleur war abgelöst worden, eine Dame mit roter Weste und einer Art Tirolerhut hatte seinen Platz eingenommen. Auch gut. Sie kannte mich wenigstens nicht als vermeintlich Unbefugte. Ich wartete, bis sich ein ganzer Pulk durch die Sperre drängte, klemmte mir ein paar herumliegende Prospekte unter den Arm, in der Hand hielt ich das Buch, und dann eilte ich mit betont desinteressierter Miene an dem Tirolerhut vorbei. Er ließ mich anstandslos passieren.
    Drin war ich, aber nun blieb die Frage zu klären, in welcher der acht Hallen »mein« Verlag denn wohl zu finden sein würde. Zum Glück gibt es überall Informationsstände, an denen sprachbegabte junge Damen jede nur gewünschte Auskunft geben. Sie sind immer schwer beschäftigt. Ich reihte mich in die Schlange ein.
    Ein Engländer wollte wissen, wann der nächste Intercity nach Hamburg fährt. Ein Japaner suchte das Wiener Cafe, ein aufgeregter Vater seine vierjährige Tochter, die er im Gewimmel verloren hatte. Nach »befugt« sah der aber auch nicht gerade aus!
    Endlich war ich an der Reihe und erfuhr, was ich wissen wollte. Halle 5, Mittelgang. Je näher ich meinem Ziel kam, desto mehr revoltierte mein Magen. Ich hatte einen Riesenbammel! Dagegen half auch der doppelte Kognak nichts, den ich im Stehen an einer dieser Plastiktheken kippte. Am liebsten wäre ich umgekehrt.
    Mein letztes bißchen Selbstbewußtsein verschwand restlos, als ich den Stand erreichte und die hinter dem halbhohen Tresen aufgereihte Phalanx würdiger Herren erblickte, die offenbar alle sehr beschäftigt waren – oder zumindest so taten. Rechts davon stand eine kleine Sitzgruppe, und auf einem der Stühlchen saß breit und behäbig ein Herr, den ich schon mal irgendwo gesehen hatte, ich konnte mich nur nicht erinnern, wo. Neben ihm thronte eine rothaarige Dame, bei der mir zuerst das halbe Einfamilienhaus auffiel, das sie in Form von Schmuck an Händen und Ohren trug, und dann erst das betont schlichte Kleid, das ebenso einfach wie teuer aussah.
    Da gehst du jetzt nicht hin, beschloß ich sofort, bleib erstmal in der Versenkung, irgendwann werden die beiden hoffentlich verschwinden. In deinen Hosen und dem Kaschmirpullover, aufgemotzt durch Tante Lottis geerbte Bernsteinkette, siehst du gegen diese Frau da drüben aus wie ein armer Leute Kind. Dazu der Trenchcoat, auch nicht gerade das Neueste vom Neuen – so was kann sich ein Henning Venske leisten, der gerade meinen Weg gekreuzt hatte. Ich hätte doch lieber das schwarze Kostüm anziehen sollen, das ich nicht leiden konnte und nur

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