Das hätt' ich vorher wissen müssen
egal, wir würden uns ohnehin noch sehen. Vati hatte gewartet. »Darf ich dich denn nun zum Essen ausführen?«
»Na klar, ich weiß nur nicht, wann ich morgen fertig bin. Am besten rufe ich dich an.« Ich drehte an seinem Jackenknopf, eine Angewohnheit, mit der ich ihn schon als kleines Mädchen zur Verzweiflung gebracht hatte. »Woher wußtest du eigentlich von dem Auftrieb hier? Ich hab dir nämlich absichtlich nichts gesagt.«
Er befreite seinen malträtierten Hornknopf. »Ein Vöglein hat’s mir ins Ohr geflüstert.«
Was vermutlich durchaus wörtlich zu verstehen war. Rolf pflegt zwar am Telefon nicht zu flüstern, eher ist das Gegenteil der Fall, aber das mit dem Ohr dürfte stimmen. »Das hätte ich mir ja denken können.«
»Ich bin ihm wirklich dankbar, daß er mich angerufen hat. Bedauert habe ich nur, daß deine Mutter den heutigen Abend nicht mehr erleben durfte. Sie wäre stolz auf dich gewesen.«
Diesen Punkt hätte er lieber nicht erwähnen sollen. Mami fehlte mir immer noch, obwohl sie schon vor einer Reihe von Jahren gestorben war. Viel zu früh, die doppelten Enkelinnen hatte sie gar nicht mehr erlebt.
Tröstend fuhr mir Vati über den Kopf und zerstörte dabei die so mühsam hingefönte Frisur. Jetzt war’s mir egal, auch der letzte Fotograf hatte inzwischen das Weite gesucht. »Ich glaube, du hast deiner Mutter mit dem Buch ein schöneres Denkmal gesetzt, als es ein Grabstein jemals sein könnte.«
Vielleicht hatte er recht. Er umarmte mich noch einmal und zog ab.
Verlegers baten zum Champagner. Viel lieber hätte ich ja eine Tasse Tee gehabt und eine richtige Schmalzstulle, von denen noch welche übriggeblieben waren, aber so etwas Profanes wagte ich nicht zu äußern. Wenigstens die Schuhe konnte ich unterm Tisch wieder ausziehen. Was ich morgen als erstes tun würde, wußte ich genau: Latschen kaufen! Ganz bequeme mit flachem Absatz und mindestens Größe 41. Später, wenn meine Füße wieder auf den normalen Umfang abgeschwollen waren, konnte ich mir ja immer noch eine Sohle reinlegen.
Jupp und Hermann fingen an, die Stühle hochzustellen. In feinen Restaurants würde man so etwas niemals tun, das wußte ich von Sascha, in einer Berliner Kneipe darf man das. Ich war sehr dankbar dafür, denn Mitternacht war vorbei, und mein Tag hatte immerhin morgens um fünf angefangen. Verlegers erhoben sich und mit ihnen das Fähnlein der acht Aufrechten, die noch übriggeblieben waren. Bis zur ersten Treppe schaffte ich es noch mit Schuhen, dann ging es beim besten Willen nicht mehr weiter. Ich klemmte mir die Dinger unter den Arm, lief auf Strümpfen weiter und schickte ein Dankgebet gen Himmel, daß ich nicht Königin Silvia war oder Inge Meysel, sondern nur eine immer noch sehr unbekannte Autorin, deren wenig ladyliker Aufzug allenfalls sie selber störte.
Zum Frühstück hatte ich mich mit Frau Schöninger verabredet. Verlegers waren bereits mit der ersten Maschine abgereist, ließen mir aber noch Grüße ausrichten, und ich hätte meine Sache sehr gut gemacht.
Während wir unsere wabbeligen Drei-Minuten-Eier löffelten, horchte ich mein Gegenüber ein bißchen aus. Ich hatte noch immer keine rechte Vorstellung, wer sie eigentlich war und in welcher Eigenschaft sie mich als eine Art Leibwache bemutterte.
»Meinen Beruf kann man gar nicht mit einem Wort definieren. Ich bin für Public Relations zuständig, also Pressetante, Vermittler, Babysitter für Autoren, verantwortlich für die Werbung, und wenn’s sein muß, besorg ich auch frische Oberhemden und Mousse au chocolat.«
»Wie denn das?«
Sie lachte. »Im vergangenen Jahr mußte ich Curd Jürgens auf einer Signiertournee begleiten. In Frankfurt stellte er fest, daß er keine sauberen Hemden mehr hatte. Zum Einkauf sollte ich mitkommen, damit am nächsten Tag nicht in der Zeitung stehen würde, er habe sich von seiner Frau getrennt und suche nun Vergessen, indem er Oberhemden kaufe.«
»Ist das nicht ein bißchen übertrieben? Wenn mal nichts über ihn geschrieben wird, wäre es ihm vermutlich auch nicht recht.«
»Stimmt. Aber Schauspieler sind nun mal ein Völkchen für sich. Erst setzen sie alles dran, bekannt zu werden, und dann setzen sie eine Sonnenbrille auf, damit man sie nicht erkennt.«
»Und was war mit der Mousse au chocolat?« Jetzt war ich neugierig geworden. Kulissenklatsch aus erster Hand hatte mir noch niemand bieten können.
»Das war Ilse, auch eine vom Showbusineß. Offenbar gehört dieser Schokoladenbrei zu
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