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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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die Beine. In einem Wassereimer wurde die Grundsubstanz angerührt, gleichmäßig auf fünfundfünfzig Pappbecher verteilt, und als die Vorhut der Busbesatzung auftauchte, knallten die Sektkorken. Zu spät stellte sich heraus, daß die vorhandenen Flaschen nicht reichten. In der Nachbarschaft war auch keine Hilfe zu erwarten, denn am vorletzten Messetag herrschte überall Ebbe – sowohl an Büchern als auch an Alkoholika. Letzte Rettung: Das noch vorhandene konzentrierte Gift wurde kurzerhand in die letzten wegen Sektmangel nur halbgefüllten Becher gekippt. Jetzt waren sie wenigstens auch voll, und niemand konnte sich benachteiligt fühlen. Wie mir später berichtet wurde, soll ein Teil der Fahrgäste die Rückreise in sehr gelöster Stimmung verbracht haben.
    Eine gute halbe Stunde lang blockierten »meine« Leser den Durchgang, ich schüttelte Hände, hörte Komplimente, verteilte Autogramme und kam mir fast so bedeutend vor wie Ephraim Kishon, der nur ein paar Meter weiter ständig von seinen Fans umlagert war.
    Allmählich verkrümelten sich die Besucher, ich packte meine Sachen zusammen und verabschiedete mich. Für dieses Jahr war die Messe mal wieder überstanden. Aber im nächsten würde es eine weitere geben, im übernächsten auch und im überübernächsten. Kommen Sie ruhig mal vorbei! Das »Sibirische Roulette« kann ich inzwischen allein zusammenbrauen.

10
    Als wir vor zwölf Jahren nach Bad Randersau gezogen waren, hatte die Familie aus Vater und Mutter, fünf Kindern, zwei Goldhamstern, einem Wellensittich und circa siebenundzwanzig Zierfischen bestanden. Hinzu kamen ständig wechselnde Hausgehilfinnen, deren längerer Verbleib meist daran scheiterte, daß sie zwar bereit waren, ihr Tagewerk ordentlich zu tun, nur wollten sie in der Regel, einen Wochenlohn dafür. Außerdem hatte das Heizöl damals 13,5 Pfennige pro Liter gekostet, inzwischen war es um das Fünffache gestiegen – die Miete übrigens auch, aber nur um die Hälfte. Eines Tages waren dann auch noch die beiden Knaben zwecks Brötchenerwerb in die Ferne gezogen, hatten Hamster und Fische mitgenommen, Hausgehilfinnen hatten wir schon lange nicht mehr, vier Toiletten waren entschieden zuviel, und von den neun Zimmern blieben drei ungenutzt. In ihnen stapelte sich überflüssiger Krempel, der immer so lange aufgehoben wird, bis ein Umzug einen vor die Notwendigkeit stellt, das Zeug endlich loszuwerden.
    Aus all diesen Gründen erwogen wir die Übersiedlung in ein bescheideneres Heim und lernten auf der Suche danach wieder einmal die Terminologie der Makler kennen. »Altdeutsches Giebelhaus« bedeutete, daß es vor der zweiten Adenauer-Ära erbaut worden war; »Jugendstilvilla« hieß Einfamilienhaus mit Vorgarten, Neuanstrich unerläßlich. Unter einem »romantischen Bauernhaus« hatte man eine umgebaute Scheune zu verstehen mit Pumpe im Hof, und »Bungalow in unverbaubarer Hanglage« bedeutete 140 Treppenstufen zur Straße.
    Aber mußte es denn unbedingt ein Haus sein? Es gab doch auch großräumige Wohnungen, die zumindest den Vorteil hatten, pflegeleicht zu sein. Fortan besichtigten wir Wohnungen und lernten neue Vokabeln. »Gemütlich« hatte man mit »winzig« zu übersetzen, »zentrale Lage« hieß nichts anderes als Blick auf den Bahnhof, und »verkehrsgünstig« bedeutete, daß direkt vor dem Haus der Autobahnzubringer entlangführte. Die »große Loggia« entpuppte sich als bestenfalls zum Aufstellen eines Wäscheständers geeignet, der »Hobbyraum« als ehemaliger Kohlenkeller mit 25-WattFunzel, und was uns als »modernes Bad« angepriesen worden war, enthielt neben einem Waschbecken und einem Klo mit gesprungener Schüssel noch eine Duschkabine.
    Wir verlegten uns nun doch wieder auf die Suche nach einem kleinen Haus, das weder romantisch sein noch verkehrsgünstig liegen mußte, aber wenigstens vor der Gründerzeit erbaut sein sollte. Endlich fanden wir eine Doppelhaushälfte in einem Neubau und zogen ein. Die Zwillinge bekamen die sehr geräumige Mansarde, nahmen klaglos die anfangs unausbleiblichen Beulen in Kauf – schräge Wände waren sie nicht gewöhnt –, und fanden schnell heraus, daß dieser Raum gegenüber ihrem bisherigen Zimmer unschätzbare Vorteile hatte. Er lag relativ weit vom Schuß und machte dank der knarrenden Holztreppe unverhoffte Kontrollgänge unmöglich, denn spätestens nach der dritten Stufe waren die Mädchen vorgewarnt. Ich hatte sie auch nie mehr dabei erwischt, wie sie statt Wilhelm Tell

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