Das hätt' ich vorher wissen müssen
Kriegen Sie Ihre Familie immer unter einen Hut? Ich beziehe das jetzt speziell aufs Essen.«
»Määm kocht sehr ausgewogen«, bestätigte Sascha, »mal schmeckt’s meinem Vater nicht und mal uns nicht.«
Herr Jügelt notierte. »Dann können Sie auch gleich dazuschreiben, daß mein Sohn seine Abneigung gegen das Essen grundsätzlich mit vollem Mund erklärt«, ergänzte Rolf.
Endlich waren alle gesättigt, und ich konnte die Tafelrunde aufheben. Die ganze Zeit hatte ich wie auf glühenden Kohlen gesessen und darauf gewartet, daß irgend etwas passiert. Der Umgangston zwischen den Geschwistern ist auch heute noch nicht immer salonfähig, aber vor ein paar Jahren hatte man manchmal den Eindruck gehabt, die fünf seien in der Gosse aufgewachsen.
Stefanie übernahm den Küchendienst, die Zwillinge assistierten. Freiwillig. Frau Hellmers zückte schon wieder den Fotoapparat. »Haben Sie denn keine Spülmaschine?« fragte sie erstaunt, als Steffi die Teller im Abwaschbecken übereinanderstellte.
»Wozu denn? Eine billigere als mich gibt es doch gar nicht!« Dann machte ich sie auf unsere fünfkommaundnochwas Quadratmeter große Küche aufmerksam, in der sich eine Spülmaschine nun wirklich nicht mehr unterbringen ließ.
»So sieht das auch viel wirklichkeitsnaher aus«, meinte sie, »nur sind die paar Teller einfach zuwenig. Können Sie noch ein bißchen was dazustellen?«
»Was denn?«
»Na, Kaffeetassen, vier oder fünf Schüsseln, Töpfe natürlich und vor allen Dingen Besteck. Das lockert auf.«
Mit offenem Mund starrte Stefanie die Fotografin an. »Soll ich jetzt etwa das ganze saubere Geschirr aus den Schränken holen?«
»Bloß für einen Augenblick. Ich helfe dir auch beim Wegräumen.«
Aufeinandergestapelte Teller, auch wenn es zwei Dutzend sind, erinnern vielleicht an ein Sonderangebot im Kaufhaus, mit einer kinderreichen Familie haben sie wenig zu tun. Also mußte die Familie mit aufs Bild. Aus paritätischen Gründen hätte Frau Hellmers recht gern gesehen, wenn auch ein Vertreter des männlichen Geschlechts zum Handtuch gegriffen hätte, aber von denen ließ sich keiner blicken. Es hätte auch ein sehr unrealistisches Bild gegeben. Eine Auswertung von Polizeiakten hat zwar ergeben, daß noch kein Mann beim Geschirrabwaschen von seiner Frau erschossen worden ist, nur hat das meine Männer überhaupt nicht beeindruckt. Die ließen sich in der Küche nur sehen, wenn sie wissen wollten, wann das Essen fertig ist.
Nun sollten wir uns alle um das Spülbecken gruppieren. Das ging aber nicht, weil es mit zwei Seiten an der Wand steht; an der dritten ist die Arbeitsplatte befestigt.
»Stellen Sie sich mal in die Mitte!« kommandierte Frau Hellmers. »Die Kleine mit einem Teller in der Hand daneben, aber sie muß hierher zu mir gucken, die andere auf Ihre rechte Seite. Und die Älteste beugt sich mit einem Handtuch über Sie.«
Das soll sich mal jemand vorstellen! Ich hing mit dem Bauch schon halb über dem Wasserhahn, während Steffi mit dem Geschirrtuch vor meinem Gesicht herumfuchtelte. Katja hockte mit eingeknickten Knien neben mir unterm Hängeschrank, und Nicki balancierte auf einem Bein, weil sie das andere nicht mehr auf den Boden kriegte, denn da stand schon der Herd. Der Schnittlauchtopf vom Fensterbrett mußte auch noch mit drauf, den sollte Katja halten. Aber so, daß man’s nicht sieht.
Zum Glück ist später keins dieser Fotos veröffentlicht worden, sie müssen wohl zu idiotisch geworden sein.
Im Garten ging es friedlich zu. Herr Jügelt hatte Rolf beim Wickel, was ich gar nicht so gerne sah, denn mir hatte schon die Bemerkung gereicht, die ich im Vorbeigehen aufgeschnappt hatte: »Die einzige falsche Angabe, die ich in meiner Steuererklärung gemacht habe, ist die, daß ich mich als Haushaltsvorstand bezeichnet habe.«
Altes Ekel!!!
Sascha pflückte Brombeeren. Ich half ihm. Vielleicht brachten wir so viele zusammen, daß es für ein verspätetes Dessert reichte.
»Wann machen die endlich ‘ne Fliege?« brummte mein Sohn. »Jetzt hängen sie schon den halben Tag hier rum, haben alles fotografiert einschließlich Kellertreppe mit dem ramponierten Geländer, nun könnten sie langsam mal abzischen. Oder haste etwa noch eine gemütliche Kaffeestunde vorgesehen?«
»Die Maschine läuft schon.«
»Dann werde ich mich vorher abseilen. Noch mal lasse ich mich nicht ausquetschen.«
»Statt dessen wird Sven in die Mangel genommen, und das wäre viel schlimmer. Der ist nicht so
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