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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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geblümte Kissen gestützt. Schön hatten sie es hier, dachte Astrid, auch wenn das Ganze ein wenig unordentlich, fast chaotisch war. Zeitschriften stapelten sich auf dem Boden und zerbröselte Schokolade lag auf dem Glastisch. Das war zwar nicht sehr schlimm, doch sie würde hier ganz gern mal ein wenig aufräumen. Natürlich hatte sie das nicht ernsthaft vor, sie war schließlich gerade das erste Mal in der Wohnung, die Henner und Kai vor rund zehn Jahren bezogen hatten. »Eine solche Wohnung findet man auf ganz Juist kein zweites Mal«, sagte sie mehr zu sich selbst.
    Er lächelte traurig. Sie wusste, dass die geschmackvolle Einrichtung seine Handschrift trug. Henner hatte schon als Kind ständig Pläne geschmiedet, wie man die Villa Waterkant umbauen könnte. Astrid hatte lange nicht mehr daran gedacht.
    »Es tut mir Leid, dass ich euch nie besucht habe, es tut mir wirklich Leid. Ausgerechnet jetzt, wo es zu spät ist, sitze ich hier in eurem Wohnzimmer und…«
    »Hör bitte auf, Astrid«, unterbrach ihr Bruder, und seine Stimme war dünn. »Ich habe dich und deinen Groll immer verstanden. Lass es gut sein. Lass es endlich gut sein.«
    Astrid nickte und stand von ihrem Sessel auf. Das Parkett knarzte, als sie zum Fenster ging. Der Blick von hier ging direkt auf die Dünen, auf weißen Sand und das scharfe Gras, welches sich langsam in den verschiedensten Grün und Grautönen wiegte. Von der hellen Frühjahrssonne bestrahlt, sah es beinahe wie das künstliche Bühnenbild in einem Theaterstück aus. Es war zu schön, der Himmel dahinter war zu blau, alles war zu idyllisch.
    »Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte Henner vom Sofa her.
    Sie drehte sich um und nickte.
    »Das Akkordeon, kannst du es wegbringen? Jetzt? Zu dir nach Hause oder so?«
    Astrid konnte ihre Verwunderung über diese hektisch vorgetragene Bitte nicht verbergen.
    »Nun schau mich nicht so an. Es ist eine ganz einfache Bitte. Dieses Instrument, wie soll ich es dir erklären? Es wäre jedenfalls besser, wenn es vorerst nicht in diesem Haus zu finden ist.«
    »Warum? Was ist damit?«
    »Es gibt zu viele, die sich dafür interessieren.« Unzufrieden über die knappe Antwort überlegte Astrid, ob sie ihrem Bruder das merkwürdige Ansinnen abschlagen sollte. Ein augenscheinlich wertvolles Instrument vor der Polizei zu verstecken, und darum ging es Henner wahrscheinlich, erschien ihr suspekt.
    Er musste ihr Zögern bemerkt haben, denn er setzte sich nun aufrecht hin und hielt ihr die ausgestreckten Arme entgegen. An seiner rechten Hand steckte ein Ring. Es sieht aus, als sei er verheiratet, dachte Astrid.
    »Komm her, Astrid.« Langsam ging sie zu ihrem Bruder, bis er sie berühren konnte. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie zu sich heran, beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren. Er umklammerte ihre Beine und sein Gesicht presste sich an ihre Oberschenkel. Sie konnte die Wärme seines Atems spüren. Er hatte wieder mit dem Weinen begonnen. Schon als kleiner Junge hatte er es so gemacht, wenn er seinen Willen nicht bekam.
    »Bitte, bring das Ding weg. Du hast ja keine Ahnung, es ist jetzt schon schrecklich genug. Doch wenn sie das Hagebutten-Mädchen finden, dann wird es unerträglich.« Nein, diese Tour zog nicht mehr. »Hör auf damit. Henner, wir sind inzwischen erwachsen, es ist viel zu viel geschehen, ich lasse mich auf dein Gejammer nicht mehr ein.«
    »Bring es weg!«, flehte er weiter. »Du musst mir helfen, Astrid, bitte nur dieses eine Mal!« Das Klingeln an der Tür war kaum zu hören, doch er zuckte zusammen und sein Heulen verstummte im selben Augenblick. »Sie sind da, Astrid. Bitte, nimm das Akkordeon mit und verstecke es irgendwo, in der Küche oder im Schlafzimmer, ganz egal. Um Himmels willen, beeil dich! Ich werde dir alles erklären, versprochen, sobald die Polizei weg ist, werde ich dir alles über das Hagebutten-Mädchen erzählen!«
    Auch nach all den Jahren war sie nicht in der Lage, seinem Flehen zu widerstehen.
    Vielleicht hätte ich ihn doch nicht besuchen dürfen, dachte Astrid. Vielleicht hätte ich einfach zu Hause bleiben sollen, wo ich doch gar nichts mit der ganzen Sache zu tun habe. Stattdessen hat er mich nun wieder so weit und ich stecke tief drin in irgendetwas, von dem ich keine Ahnung habe, um was genau es sich handelt.
    Aber er war schließlich ihr Bruder, und er lag ihr am Herzen, auch nach fünfzehn stummen Jahren. Es klingelte wieder.
    Sie nahm das Instrument, das so schwer und breit war, dass sie

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