Das Hagebutten-Mädchen
diskret damit umgegangen ist. Schon interessant, finden Sie nicht?«
Kapitän Feiken machte ein eingeschnapptes Gesicht.
»Junge Deern, nun warten Sie doch erst mal ab, was ich Ihnen noch zu sagen habe. Nicht so wild mit den jungen Pferden!« Und dann schickte der Dicke ein rauchiges Männerlachen in Axel Sanders’ Richtung. Dieser reagierte nicht, saß nur stocksteif da und tippte mit makellosem Zehn-Finger-System auf die Tastatur.
»Ist doch wegen der Astrid Kreuzfeldt. Und das habe ich dem Herrn Polizeibeamten auch schon am Tatort gesagt. Die soll er mal fragen. Die hat nämlich ein Problem damit, dass der Minnert auf Männer stand. Und zwar ein richtiges!«
»Herr Feiken, ich mache Sie darauf aufmerksam, wir nehmen Ihre Aussage zu Protokoll und überprüfen Ihre Angaben in jedem Fall, vertraulich, versteht sich.« Wencke lehnte sich vor, so weit sie konnte. »Wenn sie also den Namen einer Astrid Kreuzfeldt ins Spiel bringen und dieser Frau ein mögliches Mordmotiv nachsagen können, dann müssen wir dieser Sache nachgehen. Verstehen Sie das?«
»Hmm, ja. Es ist ja aber nun mal so. Als ich hörte, dass Kai ermordet wurde…«
»Moment, wir gehen derzeitig noch nicht ausschließlich von einem Gewaltverbrechen aus«, unterbrach Wencke.
»… ja gut, aber wenn er ermordet wurde, dann kommt mir eben als Erste die Astrid in den Sinn. Die wollte nämlich mal was von Kai, ist schon verdammt lange her, und inzwischen ist sie ja auch verheiratet und hat einen Sohn, aber vor etwa fünfzehn Jahren, da war sie schwer verknallt in Minnert. Und das weiß ich ganz sicher!«
Wencke stieß gereizt die Luft heraus. »Fünfzehn Jahre ist das her? Eine halbe Ewigkeit. Es ist ziemlich weit hergeholt, Ihr angebliches Mordmotiv, meinen Sie nicht?«
Wieder wandte sich der Zeuge an Axel. »Ist Ihre reizende Kollegin immer so ungeduldig?«
Axel Sanders drehte sich zu ihm um und nickte. »Ja, das ist sie. Und das macht auch einen beachtlichen Teil ihres Erfolges aus. Hauptkommissarin Tydmers ist nämlich meine Vorgesetzte und die Leiterin der Auricher Mordkommission. Wenn Sie mich fragen, hätten Sie hier auf Juist keine bessere Ermittlerin in diesem Mordfall kriegen können.« Sanders zwinkerte ihr kurz zu und Wenckes Herz hüpfte vor freudiger Verwunderung.
»Und jetzt beantworten Sie bitte alle ihre Fragen und denken daran, dass vor der Tür noch etliche andere Zeugen ihre Aussage machen wollen.«
Punkt! Das saß! Wenckes Mund hatte sich vor Erstaunen geöffnet und Kapitän Feiken musste sie bei einem ziemlich dämlichen Gesichtsausdruck erwischt haben, als er sich wieder zu ihr drehte.
»Also, die Astrid Kreuzfeldt war mal mit dem Minnert so gut wie verlobt, und darüber haben wir uns alle mächtig gewundert, schließlich war uns allen klar, dass Kai normalerweise in anderen Gewässern fischte. Die Astrid hat sich über unser Getratsche ganz schön aufgeregt, bis sie dann selber dem ganzen Spuk auf die Schliche gekommen ist und ihren Schatz in flagranti erwischt hat, und zwar mit ihrem eigenen Bruder.« Feiken gönnte sich eine kurze, vergeblich nach Beifall heischende Kunstpause. »Dann wurde ihr klar, dass Minnert ihr nur so nahe gekommen war, weil sie die Schwester von Henner war, und das hat ihr, wenn Sie mich fragen, heftig zugesetzt. Sie hat von einem Tag auf den anderen die Insel verlassen und kam erst wieder zurück, als sie schon mit Gerrit verheiratet war und nach dem Tod der Eltern das Haus übernehmen sollte.«
Wencke ließ die Geschichte noch ein wenig in ihrem Hirn herumspazieren, dann musste sie zugeben, dieser unangenehme Zeitgenosse hatte ihr doch ein beachtenswertes Mordmotiv präsentiert, auch wenn die lange Zeit, die seit dem Vorfall zwischen Astrid Kreuzfeldt und dem Mordopfer verstrichen war, dagegen stand. Wencke wusste jedoch, dass es auch Wunden gab, die nur scheinbar heilten, auch wenn sie auf den ersten Blick kaum noch auszumachen waren, aber unter den Narben brannte und brodelte es immer noch. Wunden, die sich von neuem entzündeten, wenn sie nur berührt wurden. »Gab es Ihrer Meinung nach einen Vorfall in letzter Zeit, der mit dieser Geschichte in Verbindung gebracht werden könnte?«, hakte sie deswegen nach.
Doch Feiken winkte ab. »Soweit ich weiß, hat sie seit dieser Sache keinen Kontakt zu ihrem Bruder, zu Minnert sowieso nicht. Nur ihr Mann und der Junge, der Michel, treffen sich ab und zu mit Henner Wortreich, doch die gute Astrid ist scheinbar stur und nachtragend wie eine
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