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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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war es wohl so, dann war das tatsächlich sein Land. Oder sie schrieb: »Ich will mit Dir Tapeten von den Wänden reißen, das Klo bunt anmalen, ein Regal für Deine und meine Bücher zimmern, eine Kartoffelsuppe mit Dir kochen, Du schälst, und ich schnipple oder umgekehrt.« Da war noch nicht geklärt, in welcher Stadt sie würden wohnen wollen. Und sie schrieb: »Ich habe über Deine Worte nachgedacht. Du hast gesagt, Du bist eher der lutherische Typ. Ich glaube, ich bin eher der katholische Typ. Und dann ist das, was wir machen, wohl Ökumene.« Schließlich, zweckdienlicher: »Ich habe eine Annonce in der BZ gelesen: ›Königspaar samt Infanten sucht angemessene Bleibe.‹ Ich ahne, wer sie aufgesetzt hat. (Eine gewisse Eva, um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen!)« Da war klar, dass sie in Berlin würden leben wollen. Er schrieb: »Nun geh und kaufe Stoff für Deine Schleppe. Am 3. Oktober ist es so weit, Du.« Und: »Hätte Botticelli Dich gekannt, er hätte keine andere Frau mehr gemalt. Das hast Du bestimmt schon mal gehört.« Sie schrieb zurück: »Abgegriffen genug wäre es. Ich sehe zu, dass ich mich schon am Freitag freimachen kann. Doppelter Wortsinn!« Im Schreiben wurde alles noch viel größer, der Übermut, die Freude, die Sehnsucht, die Liebe, und am Freitag, kurz bevor seine zukünftige Frau erschien, waren sie makellos, die Frau und die Zukunft.
    Doch als Herr und Frau Friedrich machte sie die Entfernung zunehmend gereizt. Wie an allem mangelte es in ihrem Land auch an Wohnraum, und niemand wollte ihnen einfach so drei, vier schöne Zimmer in der Hauptstadt vermachen. Eva hatte zwar eine Unterkunft in Berlin, aber kein Zuhause. Ihre Wohnung war geteilt, der Name ihres geschiedenen Mannes stand noch auf dem Klingelschild, seine Schuhe und Strümpfe befanden sich in einem verriegelten Zimmer, eine Schreibmaschine auch. Gelegentlich schlief er seinen Rausch darin aus, wenn er aufwachte, griff er in die Tasten. Er besaß noch einen Wohnungsschlüssel.
    Es passte Frank nicht. Doch er bekam nicht viel zu hören von diesem ehemaligen Ehemann, der ein Schriftsteller ohne Buch war und eine zweite Wohnung im Prenzlauer Berg behauste. Eva sagte, sie sei damals einfach zu dumm gewesen, und dass sein Name noch an der Tür stand, dass er auch noch einen Schlüssel einbehielt, das sei reine Schikane. Er sei eben ein Sadist. Sie vermied es, seinen Namen zu nennen. Er hieß: »Leonores Vater«, »der Schreiber« oder »das Schwein«.
    Das Schwein allerdings sei bereit, seine Hälfte der Wohnung zu räumen, wenn Eva das auch täte – »Warum auch immer.« Wenigstens könne sie so versuchen, die Zweiraumwohnung gegen etwas Größeres einzutauschen, nah bei der Universität.
    Also setzte Eva eine neue Anzeige auf: »Biete im Rahmen eines Ringtauschs 2-R.-Altb.-Whg. in Friedrichshain. Ebenerdig, einkaufs- u. verkehrsgünstig, Gasheiz., Zi. 19 u. 15 qm groß. Suche dafür ¾-R.-Altb.-Whg. mit IWC u. Stil in Mitte od. Friedrichshain.« Auf eine Mittwochskarte schrieb sie: »Ihr werdet euch wohlfühlen in Berlin. Die Sportschule ist in Hohenschönhausen, und vielleicht nimmt man Dich beim Betonwerk Grünau oder bei der NARVA . Du wirst dich bestimmt verbessern in Deiner Arbeit.« Er hatte nichts gegen einen Neuanfang in Berlin, Wand an Wand mit dem luxstarken Westen. »Wenn Du am 26. Nov. kommst«, schrieb sie, »können wir fünf Wohnungen besichtigen. Ich bin sicher: Unsere wird darunter sein.« Die Sportschule war da schon vom Tisch.
    ★
    Man muss nur zwei Stufen nehmen, um in den Alkoven zu gelangen, wo der Pförtner sitzt. Das ist dann schon westdeutsches Hoheitsgebiet, also los. – »How many roads must a man walk down«, sagst du zu dem großen dünnen Franzosen, der deine Lederjacke trägt. – »Oui. Merde«, antwortet dieser. Ihr schlendert so, wie ihr glaubt, dass Westdiplomaten schlendern: das ganze Selbstbewusstsein einer freien, prosperierenden Kulturnation in der Hose. Der erste Handgelenktaschenmann, der euch entgegenkommt, stutzt, aber hält euch nicht auf. Ein zweiter folgt ihm, ein paar Meter vor euch. Weil dir auf Englisch nur Songs einfallen, sagst du zu deinem Franzosen: »A hard rain’s a-gonna fall.« – Er antwortet: »Oui. Merde.« – »The times they are a-changin’«, sagst du, der zweite Mann ist schon ganz nah. – »Oui. Merde.« – »My friend«, sagst du, »words don’t come easy, I know it. But find other words.« – »Merde«, sagt dein neuer Freund, der

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