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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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und kein einziges Mal ICH gedacht zu haben in diesem salzigen Monat August. Und Seemanns Braut ist die See.
    »Freundschaft!«, sagt Dr. Müller, und die 8b mault zurück: »Freundschaft!« – »Sie sind jetzt keine Kinder mehr«, sagt Dr. Müller. Er wird sie in Geschichte unterrichten und ist ihr neuer Klassenlehrer. Für ihn ist es eine Frage der Ehre, dass die ganze Klasse geschlossen in die FDJ eintritt. Kathrin Wilms ist unsterblich in ihn verliebt. »Diese Oogen!« – »Kathrin, nun schmachten Sie mich nicht so an.« Wenn es nach Kathrin Wilms ginge, könnte er sie weiter duzen. Dr. Müller sagt, Dr. Oetker verdiene sich eine goldene Nase mit Rüstungsgeschäften, Pudding und Backpulver seien nur Tarnung. Alle, deren Eltern studiert haben, sollen sich melden. Alle, die auch studieren wollen, sollen den Arm oben lassen. Alle, die keine Westverwandtschaft haben, sollen den Arm oben lassen. Alle, die ernstlich daran denken, der FDJ nicht beizutreten, sollen den Arm runternehmen. – »Na, ein rückwärtsgewandtes Element gibt es immer«, sagt Müller. – »Ich bin Christin«, sagt Kerstin, »und werde konfirmiert.« – »Das dürfte dann schwierig werden mit der EOS «, sagt Müller. »Und warum melden Sie sich noch, Jakob?« Eva sagt, dass er tun und lassen kann, was er will. Er soll nur bedenken, dass sein Vater etwas gegen die FDJ hat. In seinem Alter habe sie alles allein entschieden, da habe sich kein Erwachsener um sie gekümmert, alles habe sie nur mit sich ausgemacht. Er solle sich überlegen, ob er getauft werden oder in die FDJ eintreten wolle. Er könne nicht auf allen Hochzeiten tanzen, man müsse sich entscheiden im Leben.
    Am 3. September wird Uwe Raab Straßenweltmeister der Amateure. Selbstlos helfen ihm Drogan und Barth über eine kleine Schwäche in der Mitte des Rennens hinweg, Ampler und Radtke fangen die Ausreißer ein. Hauptsache, einer von den Unseren gewinnt. Bei den Profis gewinnt der Amerikaner Greg LeMond. Die Profis fahren hundert Kilometer mehr. Würden Raab und Ludwig das durchstehen? Würden sie im Profilager unter Profibedingungen siegen? »Na klar«, sagt Falk. – »Quatsch«, sagt Jakob, »die Profirennen sind viel härter.« Er muss jetzt für die Profis sein. »Nur de Harden gomm’ in Garden«, sagt der kleine Kolja.
    In der einen Woche haben sie PA , in der anderen ESP . In ESP lernen sie, eine technische Zeichnung von einem Metallstück anzufertigen, in PA lernen sie, das Stück Metall auf die vorgezeichnete Größe zu feilen. Selbständig fahren sie zum E-Werk, zeigen ihre Werksausweise vor und finden sich in der Wellblechbaracke hinter dem Umspannwerk ein. Sie tragen blaue Kittel, die nie Falten bilden, aus der Brusttasche lugt die Schieblehre. Obwohl Arbeitsschutz großgeschrieben wird, dringen beim Entgraten Eisenspäne in ihre Fingerkuppen. »Immer auf dem Strich feilen«, sagt der Meister, und alle lachen. Der Meister sagt, er sei nicht von gestern und wisse sehr wohl, dass die Damen in der Nordstraße, im Schatten des Interhotel Merkur, sozusagen auch auf dem Strich feilen. Falk sagt zu Kerstin: »Wer nicht studieren darf, entgratet sein Leben lang.« Wenn die Sirene heult, haben auch sie Feierabend. Einige verabreden sich in der Eisbar gegenüber vom E-Werk. »Kommst du auch mit?«, fragt ihn Kerstin. Aber weil Eva aus einer der Baracken tritt, sagt er »ein andermal« und versteckt sich im Pulk. An der Seite eines nicht allzu großen Mannes geht Eva über das Werksgelände, gemeinsam halten sie am Werkstor ihre Ausweise hoch. Der Mann ist bartlos, hat einen Fassonschnitt. Sie gehen zu einem Trabi, der Mann hält Eva die Tür auf, der Trabi keckert los. Er kettet sein Rad vom Zaun und springt auf. Der blaue Aufkleber auf der Heckscheibe zeigt keine Taube, sondern eine Schlange. Er atmet die Abgase des Zweitaktgemischs ein. Bloß nicht in die Straßenbahnschienen kommen. An der Stadtbücherei biegt der Trabi ab. Er ist nicht in Form und völlig aus der Puste. »Lies mal wieder!« steht groß auf dem Fenster der Bücherei.
    »Von den blauen Bergen kommen wir, unser Lehrer ist genauso dumm wie wir. Mit der Brille auf der Nase sieht er aus wie’n Osterhase, von den blauen Bergen kommen wir.« Wer im Stimmbruch ist, singt scheußlich. Der Rechenschieber muss gegen einen Taschenrechner ausgetauscht werden, es müssen Fallbleistifte und ein neuer Zirkel gekauft werden, wie das alles ins Geld geht. In den nächsten Ferien soll er arbeiten und etwas

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