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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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das ist sehr lieb, Hermann.« Auf der Itz, die in diesem Sommer sehr wenig Wasser führt, tauchte die »Old Lady« auf, ein für Touristenfahrten umgebauter Mississippi-Dampfer. Die prächtigen Schornsteine dienten nur der Zier, ein Elektromotor trieb das Boot an. Das Ring-Ting-Ting und die tiefen Hornstöße kamen vom Band. »Ich mache mir nur Sorgen wegen seines Abschlusses«, sagte sie zu Hermann, der den Jaguar wie immer sicher durch die Kurven steuerte. »Ob man sein Diplom anerkennt, meine ich. Aber vielleicht soll man sich nicht immer so viel den Kopf zerbrechen. Es wird schon alles gut werden.« – Hermann sah sie von der Seite an und sagte schließlich: »Da hast du recht.«
    Jetzt läuft ihr die Zeit davon, und sie muss sich ranhalten. Sie öffnet den Kühlschrank, der voller Ansichtskarten klebt. Als sie den weißen Speck und das Fleischpaket sieht, fällt ihr siedend heiß ein, dass sie noch die Rouladen zubereiten muss. Gleich kommt der Zug, und sie hat mit der Hauptspeise noch gar nicht angefangen! Sie holt alles aus dem Fach, das Fleisch, den Speck, die Marmelade, den Senf und die Hefe. Was kommt gleich noch mal in die Rouladen? Wo ist bloß das Kochbuch für Frischvermählte? Dunnerlittchen, aber da dampft es ja schon auf dem Herd! Da sind doch schon die Rouladen! Irgendwer hat die Rouladen schon gemacht. Wer war das denn? Na, so was. Empört schüttelt sie ihre Locken.
    Als es klingelt, wirft sie die doppelten Zutaten in den Mülleimer und legt die Frau im Spiegel darauf. Wie immer ist Hermann auf die Minute pünktlich. Sie bindet die blaue Schürze ab und richtet den Spitzenkragen ihrer Bluse und ihre Haare. Silvia: Eine Woche im Leben der Königin. Von ganz oben fährt sie nach ganz unten und muss aus dem Keller wieder ins Erdgeschoss steigen.
    Vor dem Haus wartet Liesl. »Was willst du denn hier nach all den Jahren?«, hätte sie fast gefragt, aber dann fällt ihr zum Glück ein, dass Liesl mitkommen wollte. Klein und gelb steht sie vor ihr. »Bin ich zu früh?«, fragt sie. »Nein, nein, da kommt er doch schon.« Geräuschlos biegt der Jaguar in die Zufahrt.
    Das Wetter ist so schön, dass Hermann den Himmel hereinlassen muss, wie er sagt. »Den Frisuren wird es kaum schaden, meine Damen.« Auf den Bergkämmen schäumt das Grün, die Rapsfelder sind ausgelegt wie gelbe Frotteetücher an Badeseen. Hupend überholen sie eine Gruppe Radfahrer, alle tragen knallbunte Leibchen. Liesl lacht wie ein Backfisch. Heuwender quirlen die Auenwiesen, die Parabolschüsseln der Erdfunkstelle blenden, flach fließt die Itz dahin, im Auto hört man die Grillen zirpen.
    Noch vorm Spessart tauchen am Straßenrand Zeichen auf: weiße Linien auf schwarzen Täfelchen, das immer unfertige Haus des Nikolaus. Ein Konvoi Schützenpanzer biegt aus einem Forstweg, Männer mit Schmiere im Gesicht und Blattwerk um die Helme sperren die Straße ab. Hermann salutiert, und die Soldaten salutieren zurück. »Auf dem Truppenübungsplatz findet ein großes Manöver statt«, erklärt er und wird durchgewunken. Entfernt hört man Detonationen. »Wie das kracht«, sagt Hermann. – »Ja, das kracht unheimlich«, sagt Liesl. Immer wieder müssen sie Traktoren und Heuwagen überholen, die Bauern weichen kein Stück zur Seite.
    Bald fangen die Schulferien an, die Bayern sind immer die Letzten im Land, und in ein paar Tagen wird der historische Umzug stattfinden. Dann werden alle Persönlichkeiten, die jemals in Itz gekurt haben, in blumengeschmückten Kutschen durch die Gassen gefahren, und das Volk darf ihnen noch einmal zujubeln. Dem Kaiser Franz, dem Zaren Alexander, dem Fürsten, der die Quelle entdeckte, dem Verteidiger der Stadt gegen die Schweden, einen Bienenkorb warf er auf die Angreifer. Wie in jedem Jahr wird Zenzi von Rößler die Sisi verkörpern, mit kunstvoll gewundenem Haar, schlank wie ein Mädchen, und der Chef der Kläranlage wird ihr König Ludwig sein. Husaren werden vorbeireiten, Bauern mit geschmückten Ochsen und Bierfässern im Leiterwagen werden vorüberziehen, Kinder mit Strohpüppchen im Arm und der Apotheker Samuel Itzer werden winkend durchs Spalier der Schaulustigen gehen. Ein Markt mit schwerem Brot und mildem Schafskäse, mit dinkelgefüllten Kissen und Honig, mit hundert Sorten Bier und Wurst und Fleisch wird die Menschen selbst aus Burgkreuz anlocken. Die Autohäuser und die Banken werden Luftballons aufblasen lassen, Hüpfburgen und Torwände werden aufgestellt werden, die FDP , unsere CSU , die neu

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