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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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nennen. Fest steht jedoch für sie, daß sie ihr Kind zur Welt bringen wird. Sie sei bereits über die Zeit, wo man noch eingreifen kann. Sie habe einmal ein Kind verloren und wird das kein zweites Mal ertragen. „Eines Tages werde ich wohl zu ihm fahren“, sagte die F., „es kommt aber nicht mehr zu mir zurück.“ Christlich Informierte wissen, daß die F. damit den aus der Bibel bekannten König David zitierte. Die FRIEDRICH macht keinen Hehl daraus, daß sie regelmäßig in die Kirche geht. Sie gibt zu, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Sie hat keine Angst vor dem Tod, sie denkt ihn sich als Befreiung, so sagt sie. Sie ist nur noch hier wegen ihrer Kinder, sonst hat sie alles verloren, gab die FRIEDRICH an, ihren Stolz, ihre Würde, vielleicht sogar ihren Verstand. Von „gewissen Leuten“ werde sie drangsaliert. Auf Nachfrage sagte die F., daß sie damit ihren Exmann, ihre früheren Schwiegereltern und „die anderen Schweine von der Stasi“ meint. Bevor sie aber das alles zum Ende der Unterhaltung in aufgebrachter Weise und zum Teil widersprüchlicher Natur zum Vorhergesagten verlautbaren ließ, sagte die F., daß sie mich zu sich gebeten hat, weil sie Hilfe bei einem schwerwiegenden Problem braucht: „Man“ drängt sie dazu, sich von ihrem Mann, dem F R I E D R I C H, Frank scheiden zu lassen. Wenn sie in die Scheidung einwillige, wird ihr Mann in die BRD abgeschoben. Das aber kommt ihr wie der ultimative Verrat vor. Schließlich habe sie ihr Eheversprechen vor Gott gegeben. Sie ist schwer getroffen gewesen, als ihr Mann verhaftet worden ist. Auch wenn sie nicht glaubt, daß er es absichtlich getan hat, so ist sie doch sehr enttäuscht gewesen, daß er „seinen Freiheitsscheiß“ über seine Familie und die Liebe zu ihr gestellt hat. Sie sei, „weiß Gott“, auch nicht ohne Schuld und Sünde (da hatte die F. ihre anderen Umstände noch gar nicht offenbart), aber eine Scheidung kommt für sie nicht infrage. Eine Scheidung sei „feige“, der
    „Weg des geringsten Widerstands“. „Dies hier“, sagte die FRIEDRICH und zeigte auf die verwahrloste Küche,
    „ist unser Zuhause.“ Ihr Mann habe als Kind durch den Stiefvater und später durch den Tod seiner Frau so viel erlitten, der könne doch gar nicht anders handeln, als er es getan hat. Es würde sich immer so leicht sagen, daß die Menschen eine Wahl hätten,
    „aber in Wahrheit hat niemand eine Wahl“, sagte die F R I E D R I C H unter Tränen. Auch sie hat das erkennen müssen. „Eigentlich ist er ein Heiliger.“ Ich stimmte zu, daß viele Menschen wirklich nicht anders könnten, gab aber zu bedenken, daß man gerade als Frau die Männer trotzdem nicht großreden darf. Das sei genauso falsch, wie sie kleinzureden. Man muß sie verstehen und versuchen, ihnen zu helfen. Heftig stimmte mir die F. zu. Und am besten könne sie ihm helfen, wenn sie ihn ziehen läßt, sagte ich darauf. Das nun würde sie gar nicht begreifen, sagte die F. Meine Worte würden sie zutiefst erschrecken. Ob ich es dahingehend gemeint hätte, daß sie selbst nicht gut genug für den F. ist? Das würde sie nachvollziehen können, weil sie es selbst oft denkt. Sie ist nämlich gar nicht so stark und eigenständig, wie alle immer dächten. Sie selbst stammt aus einer zerrütteten Familie, „schwach“ sei sie, „traurig“ und „fehlbar“. Kein guter Mensch, ein böser Mensch sei sie, sagte die F. mit großer Nachdenklichkeit.
    „Schön wie früher bin ich auch nicht mehr.“ Alles ist ihre Schuld, sagte sie. Nein, sagte ich daraufhin, so ist es nicht gemeint gewesen. Weder sie noch ihn treffe irgendeine Schuld. Statt sich zu unterscheiden, würden sich die beiden vielmehr ähneln. Ich sagte, daß die F. und der F. kein sich ergänzendes Paar, sondern ein gespiegeltes sind, was die F. noch nachdenklicher stimmte. Überhaupt, sagte ich, ist die ganze Angelegenheit irgendwie ungültig. Ich erklärte ihr, daß sich die Arbeitskolleginnen des F. am Frauentag vor zwei Jahren nur einen Spaß gemacht hätten. Ohne Wissen des FRIEDRICH hätten sie eine Annonce aufgegeben und die Zuschriften beantwortet. Schlußendlich hätten ein paar berauschte Frauen sie zusammengebracht. Lange schwieg die FRIEDRICH, bis sie sagte, daß bei der Anzeige gar nicht klar gewesen sei, wer das Subjekt und wer das Objekt ist, die Frau oder der Mann, gleich in der ersten Zeile. Darauf schwieg die F. wieder und goß sich von dem Wodka ein, dem sie bisher nur in Maßen

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