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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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»Ihr seid aus der Modebranche«, sagt er.
    »Touché«, sagt der Mann im hellen Anzug.
    »Dann habt ihr bestimmt eine Strumpfhose dabei.«
    »Dutzende«, sagt die Blondine. »Wofür?«
    »Euer Keilriemen ist tatsächlich gerissen.« Mit Hilfe der Strumpfhose macht Frank den Barkas wieder flott.
    »Wird es bis Sandau gehen?«, fragt eine der Frauen.
    »Habt ihr da einen Auftritt?« Ein duftender Lappen wird ihm gereicht, mit dem er seine Hände von Fett und Schmiere reinigt.
    »Eine Schau. Wir präsentieren die neueste Frühjahrs- und Sommerkollektion des Ateliers Jenny Posner«, sagt die Blondine. »Mailand, Tokio, Sandau. Jenny Posner, dit bin ick«, sagt sie und schüttelt Frank die Hand. Dann macht sie die Armbewegung eines Conférenciers, und ihre Stimme ändert ihren Aggregatzustand: »Zu meiner Rechten, das ist René, unser Gentleman. Dieser Götterliebling hier ist Thor. Philippa ist unsere Lady, Carmen der romantische Typ, Britt ist die Sportliche. Und das da«, sagt Jenny Posner und deutet auf die englische Frau, »das ist Bella.«
    »Sind das eure Namen?«, fragt Frank und gibt jedem die Hand. Jetzt erst bemerkt er, dass die Frauen unterschiedlich schön sind. Jakob und der Junge stehen abseits und sind mit Wegschauen beschäftigt.
    »Künstlernamen«, sagt Bella. »Wir haben alle auch noch ordentliche Berufe.«
    »Bis auf mich«, sagt Jenny Posner.
    »Fahren Sie auch nach Sandau?«, fragt Bella.
    »Dann kommen Sie doch zu unserer Schau«, sagt Jenny Posner. »Als kleines Dankeschön.«
    »Das geht leider nicht«, sagt Frank.
    »Komische Vögel«, sagt Jakob, als sie wieder im Auto sitzen.
    Zwei Hotels und eine Pension haben plötzlich keine freien Zimmer mehr, nachdem Frank seinen Ersatzausweis auf den Empfangstresen gelegt hat. Er will und kann jetzt nicht daran denken, wie es auf dem Amt war. Was er dem Beamten an den Kopf geworfen hat, was der erwiderte, bevor er seinen Personalausweis abgeben und den PM  12 annehmen musste.
    Nur im ehemaligen Grandhotel, einem dunklen Gebäude aus einer vergessenen Zeit, will niemand ihre Dokumente sehen. Es gibt nicht einmal Zimmerschlüssel. Ihr Flur ist ein langer Stollen, von dem alle zwanzig Schritte eine Tür abgeht. Licht plumpst durch das einzige Fenster am Ende des Ganges.
    Die Tür ihres viel zu großen, viel zu hohen Zimmers ist von innen gepolstert, dahinter stehen ein Doppelbett, ein Schrank, ein Tisch mit nur einem Stuhl. An der tapezierten Wand hängt ein Konsumdruck: Birken vor einem Weizenfeld, darin Mohn- und Kornblumen. An der anderen Wand staffeln sich Bildchen aus Stroh: dreierlei Kraniche im Steigflug auf schwarzem Grund. Er lehnt die Gitarre an die Wand.
    Über dem gesprungenen Waschbecken schwebt ein rissiges Stück Seife. Das ist unser Landeswappen, denkt Frank: der Metallknopf in der Seife. Nicht Hammerzirkelährenkranz, sondern der Metallknopf, der in jedem Stück Florenaseife steckt, so wie in unseren Oberarmen zwei Pockennarben stecken. Hierzulande gibt es kein einziges Stück Seife, das einfach so herumliegt, jedes haftet per Metallknopf an einem Magnetarm. Am Waschbecken dreht er den roten und den blauen Wasserhahn auf, aus beiden kommt kaltes Wasser. Er lässt das Waschbecken volllaufen und legt die Kirschzweige hinein.
    Aus dem Rucksack holt er Jakobs Schlafanzug und breitet ihn auf der geblümten Überdecke aus. Der Schlafanzug liegt da, als sei es der Junge selbst: inmitten einer Sommerwiese, lang die Beine, lang die Arme. Frank prüft die Matratze der anderen Betthälfte, er setzt sich auf das Bett und sackt ein. Mit Jacke und Schuhen legt er sich hin, er streckt sich aus und liegt wie in einem zu engen Grab. Schon für eine Person ist die Matratze zu schlecht.
    Er klettert aus dem Bett, stellt Jakobs Zahnbürste in das Spülglas und hängt einen Waschlappen mit den Initialen F und R an den Haken. Seine Sachen kann er später ausräumen.
    »Ich bin müde«, sagt Jakob und legt sich neben seinen Schlafanzug.
    »Ich sag’s doch, du wächst.«
    Während Jakob ruht, spaziert er durch den Kurgarten. Anitas Rat ist gar nicht so verkehrt: Er wird das Terrain sondieren und sich ein Versteck suchen. Bloß nicht die Katze im Sack kaufen.
    Sandau war früher ein beliebter Erholungsort mit mondäner Aura, der heute einer gealterten, inzwischen gramvollen Bühnenschönheit gleicht, die auf Betriebsfeiern auftritt. Die weitläufigen Parks mit ihren Mammutbäumen und Platanen, die verwaisten Sanatorien und baufälligen Villen, die jetzt

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