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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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Einleitung von Maßnahmen zur Zersetzung der Beziehung des Verdächtigen zur M e y e n b u r g, Eva.
     
    Dobysch
    Oberleutnant
     
    Leiter des Referates 5
     
    Altwasser
    Hauptmann
     
     
    Leiter der Abteilung
     
    Fender
    Oberstleutnant

IV
    FRAUEN IN ATEMNOT
    Oktober 1982 – März 1983

 
    Eine furchtbare Kraft ist in uns, die Freiheit.

13. Deutsche Hochzeit
    An drei aufeinanderfolgenden Sonntagen wurden Katharina Siegenthaler und Waldemar Sauer aufgeboten. Von der Kanzel wurden sie aufgeboten, hinein ins Knarren und Hüsteln, ins Hütekneten und Händeringen, ins Frömmeln und Blitzsaubertun. Vom Pastor Immanuel Busse wurden sie aufgeboten, Kinnbart, Beffchen und Drahtbrille, und zwar als nicht mehr ledig, denn die Tochter vom Siegenthaler Wilhelm trug ein Kind unterm Herzen. Die Ehe war ein Sakrament.
    Ein großes Fest mit Ochsen- und Hammelfleisch und Wein wäre der Gemeinde von Hoffnungstal (oder Kulm oder Neu-Elft) gut zupassgekommen. Die schwere Arbeit auf den Feldern war getan, das Getreide zu Kopitzen gehäuft, aufgeladen, gedroschen und geputzt. Der türkische Weizen, das Welschkorn, der Kukuruz, der Bobschai – das die weit gereisten Namen des Mais – war eingebracht, abgezogen und gerebelt. Auch die Äpfel und die Trauben waren gepflückt, die Sonne schien weiter im Most. Man hatte den Speck geräuchert, die Schweinebäuche gepökelt, in der Kammer baumelten die Würste. Nur die Kürbisse lagen noch in den Ackerfurchen, gelb.
    Aber ein Fest mit allen Gaben des Herrn fand nicht statt, denn die Siegenthaler und der Sauer hatten nicht warten können. Wie betete man für Verlobte, die nicht hatten warten können? Wie bloß? Starks Gebetbuch wusste für die nahende und die erfolgte Geburt mit dreizehn Gebeten Rat, selbst ein Dankgebet zur Entwöhnung von der Mutterbrust war darin zu finden – aber wie betete man für ungeduldig Verlobte, als Gemeinde, der nicht nur Sitte und Moral, sondern auch ein Fest vorenthalten wurde?
    Dass sie, die Siegenthaler Katja, die Frömmigkeit und Botmäßigkeit und die Demut vor dem Herrn finde, das könnte man beten. Ohne Sattel ritt sie ihren Orlow-Schimmel, hoch im Blut stehend, auf dem Markt brauchte sie keinen Abakus zum Rechnen und in der Kirche kein Gesangbuch zum Singen. Niemand hatte sie je mit gelöstem Haar gesehen, geschweige denn nach einem geraubten Kuss. Anständig war sie wohl, aber irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Alles tat sie mit dem Kopf statt mit dem Herzen. Welch Wunder, dass ihr ungeübtes Herz überrumpelt wurde. Hätt’ se man gebeten um Geduld und Stärke, hätt’ se man die Liebe reifen lassen und zur rechten Zeit davon gekostet, hätt’ se sich man gekniet und nicht gelegt ins Stroh, hätt’ se man gesprochen, statt zu schweigen: »Und weil die Geduld und die Demut auch unter die guten Gaben gehören, die von oben kommen, so verleihe mir diese nach deiner Barmherzigkeit.« Hätt’ se man.
    Das Schicksal hatte Katja und Waldemar auf dem Markt von Weißenburg zusammengeführt. Das Schicksal hieß Wilhelm und Albert. Im Frühjahr und im Herbst strömten alle, die etwas gefertigt oder geerntet hatten und denen Odessa zu weit war, zu der Munizipalin am Schwarzen Meer. Die Kähne und Flöße kamen den Dnister herunter und löschten ihre Fracht im Hafen: Rauchwaren, Tuche, Flechtwerk. Die Stände bogen sich unter Laiben Brot, für ein paar Kopeken bekam man ein großes Stück Schwarzbrot mit Schmalz und Gurken. Zigeunerinnen lasen in Händen, Figaros glätteten krauses Haar, Scherenschleifer drehten singende Wetzräder, und Greisinnen sponnen, es duftete, und es stank. Die Russen soffen, die Tataren und die Kosaken sahen den Gäulen ins Maul und soffen, die Rumänen und die Bulgaren brachten Weizen und Wein, wenn sie ihn noch nicht ausgesoffen hatten, aber der Weizen und der Wein der Deutschen waren am besten. Und Deutsche, das sind wir.
    Auch das Tuch der Deutschen war am besten. Die jungen Juden, dürr, wie es die Schneider nun einmal waren, huschten in Kniebundhosen zwischen den Ständen hindurch, prüften die Ware und feilschten. Kaufen taten sie meist bei den Sauers. Deren Tuchfabrik, Färberei und Walkerei waren bis hinüber nach Odessa bekannt. Die beste Wolle bekam der Sauer Albert vom Siegenthaler Wilhelm. Der hatte eine große Herde weißer Merinoschafe, die gaben zwölf Pfund pro Tier, daraus fertigte der Sauer die feinsten Garne und Tuche für schimmernde Anzüge, Hochzeitsanzüge zum Beispiel. Wenn also einer die

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