Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)
Reteau, mit trockenen Augen und an seinen Nägeln kauend, in Gedanken die ihm von Herrn von Crosne versprochenen Thaler zählte und sie als Gesammtsumme den Monaten der Gefangenschaft, die ihm das Parlament versprach, gegenüberstellte, versuchte es Jeanne, welche sich in die Stube der Concierge, Frau Hubert, zurückgezogen hatte, ihren brennenden Geist mit einigem Geräusch, einiger Bewegung zu zerstreuen.
Diese Stube war sehr hoch bis zu ihrer Decke, weit und geräumig wie ein Saal, geplattet wie eine Gallerie, und am Quai durch ein gewölbtes Fenster erleuchtet. Die kleinen Scheiben dieses Fensters fingen den größten Theil des Lichtes auf, und, als ob man selbst in diesem Zimmer, das freie Menschen bewohnten, die Freiheit hätte erschrecken müssen, verdoppelte ein ungeheures, eisernes, außen unmittelbar an den Scheiben angebrachtes Gitter die Dunkelheit durch die Durchkreuzung der Stangen und der bleiernen Streifen, mit denen jede Glasraute eingerahmt war.
Das durch dieses Doppelsieb gedämpfte Licht war gleichsam gemildert für das Auge der Gefangenen. Es hatte nichts, um diejenigen zu verletzen, welche nicht heraus konnten. Es gibt in allen Dingen, selbst in den schlimmen, die der Mensch gemacht hat, wenn die Zeit, diese Wiederherstellen« des Gleichgewichts zwischen dem Menschen und Gott, darüber gegangen ist, es gibt Harmonien, welche mildern und einen Uebergang vom Schmerz zum Lächeln gestatten.
In dieser Stube lebte Frau von La Mothe, seitdem sie in der Conciergerie eingesperrt war, in Gesellschaft der Concierge, ihres Sohnes und ihres Mannes. Sie hatte sich bei diesen Leuten beliebt gemacht; sie hatte Mittel gefunden, ihnen zu beweisen, daß die Königin im höchsten Grad strafbar sei. Es müsse ein Tag kommen, wo in derselben Stube eine andere Concierge, von Mitleid ergriffen bei dem Unglück einer Gefangenen, diese für unschuldig halten würde, weil sie dieselbe geduldig und gut sehe, und diese Gefangene werde die Königin sein.
Frau von La Mothe vergaß also – sie selbst sagte es – in Gesellschaft dieser Concierge und ihrer Bekannten ihre schwermüthigen Gedanken und bezahlte durch ihre gute Laune die Gefälligkeiten, die man gegen sie hatte. Als Jeanne am Schließungstag der Sitzungen zu den guten Leuten zurückkam, fand sie dieselben sorgenvoll und verlegen.
Keine Nuance war dieser schlauen Frau gleichgültig; sie hoffte bei einem Nichts, sie beunruhigte sich über Alles. Vergebens versuchte sie Frau Hubert die Wahrheit zu entreißen, sie und die Ihrigen verschlossen sich in nichtssagende Allgemeinheiten.
An diesem Tag erblickte Jeanne an einer Ecke des Kamins einen Abbé, der von Zeit zu Zeit ein Tischgenosse des Hauses war. Es war ein ehemaliger Secretär vom Hofmeister des Grafen von Provence. Ein Mann von einfachen Manieren, satyrisch mit Maßhaltung, mit Allem, was den Hof betraf, wohl vertraut, war er, nachdem er geraume Zeit vom Hause der Frau Hubert weggeblieben, seit der Ankunft der Frau von La Mothe in der Conciergerie wieder ein fleißiger Gast geworden.
Es waren auch ein paar höhere Beamte des Palastes da; mau schaute Frau von La Mothe viel an; man sprach wenig.
Sie ergriff heiter die Initiative und sagte:
»Ich bin fest überzeugt, man spricht lauter da oben, als wir hier sprechen.«
Ein schwaches Gemurmel der Beistimmung, vom Concierge und seiner Frau herrührend, erwiderte allein diese Herausforderung.
»Oben?« versetzte der Abbé, den Unwissenden spielend. »Wo dieß, Frau Gräfin?«
»In dem Saale, wo meine Richter sich berathen,« antwortete Jeanne.
»Oh! ja, ja,« sagte der Abbé.
Und das frühere Stillschweigen trat wieder ein.
»Ich glaube, meine heutige Haltung hat eine gute Wirkung hervorgebracht?« fragte sie. »Sie müssen das wissen, nicht wahr?«
»Ja, Madame,« antwortete schüchtern der Concierge.
Und er stand auf, als wollte er das Gespräch abbrechen.
»Was ist Ihre Meinung. Herr Abbé?« sage Jeanne. »Gewinnt meine Angelegenheit nicht ein gutes Ansehen? Man spricht keinen Beweis aus.«
»Es ist wahr, Madame, Sie haben auch viel zu hoffen,« erwiderte der Abbé.
»Nicht wahr?« rief sie.
»Bedenken Sie jedoch,« fügte der Abbé bei, »daß der König ...«
»Nun! was wird der König thun?« fragte Jeanne voll Heftigkeit.
»Ei! Madame, der König kann nicht wollen, daß man ihn Lügen straft.«
»Er würde also Herrn von Rohan verurtheilen lassen... das ist unmöglich.«
»Es ist allerdings schwierig,« antwortete man von allen
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