Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)
verwirrten den Proceß dergestalt, daß die muthigsten Actenklauber beim Studium der Beweisstücke erbebten und daß kein Instructionsrichter es wagte, die Verhöre der Gräfin fortzusetzen.
War der Cardinal schwächer, war er offenherziger? gestand er einem Freunde, was er sein Liebesgeheimniß nannte? Man weiß es nicht; man darf es nicht glauben. Denn der Prinz war ein edles, ein sehr ergebenes Herz. Aber so loyal er auch in seinem Stillschweigen gewesen war, so verbreitete sich doch das Gerücht von seiner Unterredung mit der Königin. Alles, was der Graf von Provence gesagt, Alles, was Charny und Philipp erfahren oder gesehen hatten, alle diese Heimlichkeiten, welche für jeden Andern, als einen Prätendenten, wie der Bruder des Königs, oder für Liebesnebenbuhler, wie Philipp und Charny, unverständlich blieben, dieses ganze Geheimniß der so sehr verleumdeten und so keuschen Liebesangelegenheit verdunstete wie ein Wohlgeruch und verlor, zerschmolzen in der gemeinen Atmosphäre, das herrliche Aroma seines Ursprungs.
Man kann sich denken, ob die Königin warme Vertheidiger, ob Herr von Rohan eifrige Streiter fand.
Die Frage war nicht mehr: Hat die Königin das Diamanten-Halsband gestohlen, oder hat sie es nicht gestohlen?
Eine doch an und für sich genugsam entehrende Frage; aber das genügt nicht einmal. Die Frage war:
Hat die Königin das Halsband durch Jemand stehlen lassen, der in das Geheimniß ihrer ehebrecherischen Liebschaft eingedrungen war?
So hatte Frau von La Mothe die Schwierigkeit zu drehen gewußt. So fand sich die Königin auf einem Wege eingeschlossen, der keinen andern Ausgang hatte als die Schande.
Sie ließ sich niederschlagen; sie beschloß zu kämpfen; der König unterstützte sie.
Das Ministerium unterstützte sie auch und zwar mit allen seinen Kräften. Die Königin erinnerte sich, daß Herr von Rohan ein ehrlicher Mann und unfähig war, eine Frau zu Grunde zu richten. Sie erinnerte sich seiner Sicherheit, als er schwur, zu den Rendezvous in Versailles zugelassen worden zu sein.
Sie schloß daraus, der Cardinal sei nicht ihr unmittelbarer Feind, und er habe wie sie nur ein Interesse der Ehre bei der Frage.
Man lenkte von da an den Proceß mit aller Anstrengung gegen die Gräfin; und man suchte auf's Eifrigste die Spuren des verlorenen Halsbands.
Der Debatte über die Beschuldigung ehebrecherischer Schwäche anwohnend, warf die Königin auf Jeanne die niederschmetternde Anklage des Betrugs und des Diebstahls zurück.
Alles sprach gegen die Gräfin, die Vorgänge in ihrem früheren Leben, ihre erste Armuth, ihre seltsame Erhebung; der Adel nahm diese Zufallsprinzessin nicht an, das Volk konnte sie nicht als sein Eigenthum zurückfordern; das Volt haßt instinctartig die Abenteurer, es verzeiht ihnen nicht einmal den glücklichen Erfolg.
Jeanne bemerkte, daß sie einen falschen Weg eingeschlagen hatte, und daß die Königin, indem sie sich der Anklage unterzog, indem sie der Furcht vor dem Lärmen nicht wich, den Cardinal aufforderte, sie nachzuahmen: daß diese zwei redlichen Personen am Ende sich verständigen und das Licht finden würden, und daß, selbst wenn sie unterlägen, dieß in einem so furchtbaren Sturze geschehen müßte, daß sie, die arme kleine Valois, diese Prinzessin einer gestohlenen Million, die sie nicht einmal mehr bei der Hand hatte, um ihre Richter zu bestechen, unter sich zermalmten.
Man war so weit, als eine neue Episode eintrat, die das Angesicht der Dinge veränderte.
Herr von Beausire und Mademoiselle Oliva lebten glücklich und reich in einem Landhause, als eines Tages der gnädige Herr, der Madame allein gelassen hatte, um auf die Jagd zu gehen, in die Gesellschaft zweier Agenten gerieth, welche Herr von Crosne über ganz Frankreich aussandte, um eine Entwicklung dieser Intrigue zu erlangen.
Die zwei Liebenden wußten nichts von dem, was in Paris vorging; sie dachten um an sich selbst. Mademoiselle Oliva wurde fett wie ein Wiesel auf einem Speicher, und Herr von Beausire hatte, mit dem Glück, jene unruhige Neugierde verloren, die das unterscheidende Merkmal der Raubvögel wie der Raubmenschen bildet, den Charakter, welchen die Natur den Einen und den Andern für ihre Erhaltung gegeben hat.
Beausire war, wie gesagt, an diesem Tage auf die Hasenjagd gegangen. Er stieß auf einen Flug Rebhühner, was ihn veranlaßte, quer über eine Straße zu gehen. So fand er, etwas Anderes suchend, als er hätte suchen sollen, das was er nicht suchte.
Auch
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