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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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noch hinter meinem Rücken verbergen, als ein unbekannter Gentleman mit glattem schwarzem Haar und grauen Schläfen seitwärts aus dem schmalen Gang herausglitt.
    »Guten Tag, Mademoiselle. Guten Tag, m-meine Herren«, sagte er leicht stotternd auf Französisch. »Mein Name ist Fandorin. Erast Fandorin.«

    V

    Mein erster Eindruck von diesem Herrn war nicht der günstigste. Er wirkte allzu geleckt, allzu sorgfältig gekleidet – man sah sofort, dass er sich attraktiv dünkte. Wäre mir seine Herkunft nicht bekannt gewesen, hätte ich ihn für einen Franzosen gehalten.
    Mir schien, der Angekommene hatte nicht erwartet, im Turm so viele Personen anzutreffen, jedenfalls betrachtete er uns leicht irritiert.
    Ich stellte mich vor, und auch Holmes setzte dazu an, kam aber nicht zu Ende, da der Russe abgelenkt wurde. Hinter ihm ertönten Schnaufen und Ächzen – offenkundig zwängte sich jemand unterenormen Schwierigkeiten durch den Gang. Ich mutmaßte, dass Monsieur Des Essarts sich nun doch zu seiner Tochter durchkämpfen wollte (bei seinem Leibesumfang war dieses Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt). Doch ich irrte.
    Mr. Fandorin langte in den Gang und zog einen gedrungenen, kompakt gebauten Asiaten in einem durablen karierten Anzug hervor. Der Neuankömmling schüttelte sich, ordnete seine Kleider und verbeugte sich mit großer Würde vor uns allen.
    »Sherlock Holmes, a votre service 4 «, sagte mein Freund ruhig, als wäre er nicht unterbrochen worden.
    Ich gestehe, es war mir eine Freude, zu beobachten, wie das hübsche Gesicht des Fremden sich vor Staunen verzog.
    »Sh-sherlock Holmes? Der nämliche?«, stammelte er, nun auf Englisch. »Und Sie sind
der
Doktor Watson?«
    Ich neigte ironisch den Kopf. Monsieur Des Essarts hatte also nicht nur Holmes und mich getäuscht.
    Fandorin wandte sich zur Tür, als erwarte er vom Hausherrn eine Erklärung. Die folgte auch sogleich.
    »Ich bitte um Vergebung!«, ertönte dumpf, wie aus einer Röhre, die Stimme von Des Essarts, der offenbar seinen Kopf in den Gang gesteckt hatte. »Ich hätte Sie auf dem Weg hierher unterrichten sollen, aber ich fürchtete, Sie würden wieder umkehren! Mr. Holmes schätzt sich glücklich, mit Ihnen Hand in Hand arbeiten zu können. Ich hoffe, Sie haben nichts gegen Mr. Holmes einzuwenden!«
    »Aber nein, ganz im Gegenteil! Ich bin glücklich, ja, ich fühle mich g-geschmeichelt!« beeilte sich der Russe zu versichern. »Es kommt nur etwas überraschend …«
    Er improvisierte ein freudiges Lächeln, das wenig überzeugend wirkte.
    »Na wunderbar!«, rief der Hausherr enthusiastisch. »Ich wusste,Sie würden mir diese kleine Intrige verzeihen, meine Herren. Im Interesse des armen Mädchens, das Sie vor sich sehen!«
    Miss Eugénie, die Augen neugierig auf den schönen Stotterer gerichtet, fragte laut: »Von was für einer Intrige sprichst du, Papa? Sind die Herren denn zum Arbeiten hier und nicht, um das neue Jahr zu feiern?«
    Wir wechselten beunruhigte Blicke. Doch Des Essarts reagierte geistesgegenwärtig.
    »Es geht um die Reorganisation der Gesellschaft der Freunde der Elektrizität. Meine Gäste sind glühende Anhänger des Fortschritts.«
    Fandorin murmelte respektvoll: »Das ist die reine Wahrheit, Miss.«
    Er hatte sich bereits von der unschönen Überraschung erholt und gab sich nun beherrscht als höflicher, weltgewandter Mann.
    »Ich bitte um Verzeihung, meine Herren. Gestatten Sie, dass ich Ihnen meinen …« – er zögerte kurz – »meinen Freund und Assistenten Mr. Masahiro Shibata vorstelle. Er ist Japaner.«
    Der Asiat verbeugte sich erneut, dann trat er näher heran und drückte mir und Holmes feierlich die Hand.
    »Sehr erfreut. Ich habe viel gelernt von Ihrer … Methode«, fuhr der Russe, an Holmes gewandt, fort, wobei er vernünftigerweise das Wort »deduktiv« aussparte, das Miss Des Essarts zu Fragen veranlasst haben könnte.
    Indessen war auch Lebrun in den Turm zurückgekehrt, und Mr. Fandorin wurde ihm vorgestellt.
    »Ihre Selbstlosigkeit, lieber Professor«, wandte er sich an den Arzt, »macht Ihnen alle Ehre. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich Sie später gern dies und jenes fragen.«
    Dann wurde auch meine bescheidene Person mit einem Kompliment bedacht.
    »Verehrter Doktor Watson«, sagte der russische Detektiv, »ich bin ein aufrichtiger B-bewunderer Ihres literarischen Talents. Ichhabe mein Lebtag nichts Unterhaltenderes gelesen als Ihre ›Aufzeichnungen‹.«
    Daraufhin wandte sich Mr. Shibata in

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