Das Halsband des Leoparden
könnte wer weiß wann im Schloss angestellt gewesen sein …«
»Zudem könnte Lupin das Geheimnis durchaus aus dritter oder vierter Hand erfahren haben«, bemerkte Holmes.
Und Fandorin ergänzte: »Denken wir auch an die Maurer und Zimmerleute, die Des Essarts für den Bau seiner Geheimgänge und Verstecke engagiert hat. Interessante Dinge dieser Art werden oft im Freundes- und Familienkreis weitererzählt – die Leute tratschen gern über die Wunderlichkeiten der Reichen.«
Das alles war nicht von der Hand zu weisen. Ich resignierte, aber nur kurz.
»Dann muss einer von uns zur Polizei fahren. Monsieur Des Essarts kennt doch bestimmt den Chef.«
Der Hausherr nickte, und ich fuhr fort: »Wir müssen in aller Diskretion, ohne Lupin womöglich aufzuschrecken, einen fähigen Inspektor in die Telefonzentrale setzen. Wenn Lupin dann Monsieur Bosquot anruft, können wir feststellen, welchen Apparat er benutzt, und Gendarmen dorthin schicken. Erinnern Sie sich, Holmes, das taten wir, als wir den Erpresser von Kensington jagten.«
»Seien Sie nicht naiv, Watson«, erwiderte Holmes darauf ziemlich grob. »Arsène Lupin ist kein armseliger Dilettant. Er wird nicht telefonieren. Das ist lediglich eine Falle, um unsere Aufmerksamkeit abzulenken. Warum sollte Lupin anrufen? In seinem Brief ist alles klar und deutlich erläutert.«
Der Russe nickte – er war derselben Ansicht.
»Na schön!« Ich gab mich nicht geschlagen. »Gehen wir von einer anderen Seite an die Sache heran. Suchen wir keine Verbindung zu Lupin, beschränken wir uns vorerst auf die Suche nach der Höllenmaschine. Wir haben den Code, konzentrieren wir uns darauf. Und vergessen wir nicht: Die Zeit läuft.«
Unwillkürlich schauten alle zur Uhr. Es war fünf Minuten nach zwei. Bis zur Explosion blieben noch zehn Stunden.
Stille trat ein, nur der Japaner säbelte mit einem Messer Schinkenscheiben ab.
»Sir, wenn Sie nichts dagegen haben, schlage ich folgende Methode vor«, wandte sich Holmes höflich an den Russen, als sei noch kein einziges Wort gesprochen worden. »Ich bin mit Ihrer Arbeitsweise vertraut. Und Sie wissen, wenn ich Sie richtig verstanden haben, ausreichend Bescheid über die meine.«
Fandorin nickte.
»Dann lassen Sie uns unabhängig voneinander vorgehen«, fuhr mein Freund fort. »Sie handeln nach Ihrem Gutdünken, ich nach meinem. Ich denke, das ist in diesem Fall effektiver als vereinte Anstrengungen. Wir werden sehen, wer die Aufgabe als Erster löst.«
»Ausgezeichnet!«, erwiderte der schöne Russe lebhaft. »Ich wollte gerade d-dasselbe vorschlagen!«
Der Ärmste! Er schien sich allen Ernstes mit Sherlock Holmes messen zu wollen!
Ein Lächeln erhellte Holmes’ scharfgeschnittenes Gesicht.
»Nun, dann können wir uns jetzt erst einmal stärken«, verkündete er fröhlich und zog die Platte mit dem Schweinebraten zu sich heran. »Watson, mein Freund, schenken Sie mir von dem Burgunder ein.«
Auch Des Essarts schien zufrieden, dass alles sich so trefflich fügte.
»Nach dem Essen bringe ich Sie in die Gästezimmer, dort können Sie sich frisch machen und umziehen, wenn Sie möchten. Ich bitte Sie, sich Punkt drei wieder hier im Speisesaal einzufinden. Dann werden wir das Haus besichtigen. Vielleicht entdecken Sie ja etwas, das meiner Aufmerksamkeit ausgeglitten, ich meine, entglitten ist.«
Die Spannung ließ ein wenig nach.
Besteck klapperte, rubinroter Wein wurde in Gläser gegossen.
Ich war bereits satt und griff zur Zigarre. Mein Nachbar, Mr. Shibata, sprach noch immer mit großem Appetit den Speisen zu. Energisch mit den Kiefern malmend, wandte er sich mir zu und fragte: »Sie sind Assistent und Slifts-teller?«
Ich begriff, dass er wissen wollte, ob ich Holmes’ Assistent und Schriftsteller sei, und bejahte. Der Japaner hakte nach: »Sie sreiben über die Fälle von Ihle Masuta?«
Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass er das Wort »Master« auf eigenwillige Weise aussprach. Ich lachte.
»Ja, das tue ich. Aber Holmes ist nicht mein Herr. Er ist mein Freund.«
Doch unser Verhältnis zueinander schien Mr. Shibata nicht zu interessieren. Er rückte näher, starrte mich aus seinen schmalen Äuglein an und fragte: »Sie sleiben, und dafür bekommen Geld? Viel?«
Der kurze, aber schöne Weg der drei Weisen
(Aus den Aufzeichnungen von Masahiro Shibata)
(…) Ich habe das Geschriebene noch einmal durchgesehen und bin sehr zufrieden. Ich finde, der Bericht über meine und meines Herren Abenteuer in Paris
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