Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
dunkelhäutiger Mann mit gezwirbeltem Schnurrbart wie Oda Nobunaga und üppigem Haarschopf kam herein. Daran erkannte ich sofort, dass dies der Verwalter war. Wir hatten seine Silhouette vor kurzem am Fenster des Pferdestalls gesehen.
    Er keuchte – offenbar hatte er sich sehr beeilt. Nach der Begrüßung bedachte er uns alle mit einem besorgten Blick, und ich verbeugte mich respektvoll vor ihm, weil ich anerkannte, dass dieser Bosquot sich verhielt, wie es sich für einen treuen Diener geziemt – obwohl er von der Bombe wusste, ließ er seinen Herrn im Unglück nicht im Stich.
    »Monsieur ist völlig außer Atem. Ich habe ihm einen Schluck Wasser gegeben. Er kommt, sobald er verschnauft hat. Mir aber hat er aufgetragen, hierher zu eilen und Ihre Fragen zu beantworten«, erklärte er in sehr schnellem Französisch.
    Holmes übersetzte das Gesagte dem Doktor, und ich bemühte mich, mir kein Wort entgehen zu lassen. Mein Herr flüsterte mir auf Russisch zu, dass Bosquot mit italienischem Akzent sprach. Italiener gelten als ausgezeichnete Bedienstete und werden deshalb in den besten Häusern Frankreichs gern angestellt.
    Dem, was wir von Desu-San bereits wussten, fügte Bosquot hinzu, dass die Stimme des berühmten Kriminellen voll und unverschämt klinge. Sofort nach dem Telefonat hatte der Italiener in der Zentrale angerufen und gefragt, von wo der Anruf gekommen sei,jedoch von der Telefonistin erfahren, dass das Gespräch nicht über die Vermittlung gegangen sei. Offenbar hatte sich Lupin einen direkten Zugang zur Telefonleitung verschafft.
    »Sie sehen, ich hatte doch nicht ganz unrecht«, bemerkte Sherlock Holmes. »Ein Polizeiinspektor in der Telefonzentrale hätte uns auch nichts genützt.«
    Der Verwalter beantwortete alle Fragen knapp und hastig. Ich hatte den Eindruck, dass er so schnell wie möglich wieder weg wollte. Zweimal fragte er in eingetretenen Pausen, ob er in den Pferdestall zurück könne. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen, seine Augen huschten unruhig von einem Gegenstand zum anderen, und ich erriet plötzlich, dass er einfach Angst hatte, die Bombe könne vor der Zeit explodieren. Meine Achtung vor dem Mann schrumpfte sofort.
    Auf einmal stellte ihm mein Herr eine überraschende Frage.
    »Mir ist aufgefallen, dass sämtliche Fenster im Erdgeschoss mit von außen zu verschließenden Läden versehen sind. Wo sind die Schlüssel?«
    Bosquot zwinkerte verwirrt, er verstand offenbar nicht, was die Frage sollte.
    »Es gibt nur einen Schlüssel, die Schlösser sind alle gleich. Hier ist er.«
    Er wies einen Schlüssel aus dem Bund an seinem Gürtel vor.
    »Und wofür sind die übrigen?«
    »Der hier gehört zum Haupteingang, der zum Seiteneingang von der Schlucht her, dieser zur Veranda, der kleine zum Erdgeschoss des Turms und der hier zum Dienstboteneingang …«
    Fandorin-Dono bat um das Schlüsselbund und betrachtete es eingehend, um sich einzuprägen, welcher Schlüssel wozu gehörte. »Kann ich nun gehen?« Bosquot trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
    »Ja, aber überprüfen Sie, was mit dem Telefon los ist«, befahl ihmSherlock Holmes (mein Herr übersetzte es mir sofort). »Und zeigen Sie uns unsere Zimmer.«
    Der Verwalter machte sich kurz am Telefon zu schaffen und rief freudig: »Alles in Ordnung! Wenn etwas ist – ich bin in meiner Wohnung. Sie können mich ganz einfach erreichen: Nur einmal die Kurbel drehen. Bei zwei Drehungen sind sie mit der Vermittlung verbunden.«
    Das wussten wir auch ohne ihn.
    Zu unseren Zimmern begleitete er uns nicht. Er beschränkte sich auf die Erklärung: »Das finden Sie selbst, es ist ganz einfach. Sie folgen dem Flur rechterhand, am Ende ist das Billardzimmer. Von dort gehen Sie nach links, die Seitentreppe hinauf in den ersten Stock. Dort ist eine Glastür, dahinter eine Diele. Auf der einen Seite liegen die Zimmer für die Herren aus London, auf der anderen die für die Herren aus Paris. Wer welche Räume nimmt, können Sie selbst entscheiden.«
    Er verbeugte sich und rannte aus dem Speisesaal. Kurz darauf fiel krachend die Eingangstür zu. Kein japanischer Diener würde sich erlauben, derartig das Gesicht zu verlieren!
    Wir folgten seinen Anweisungen und fanden tatsächlich mühelos die Glastür. Nach einem kurzen Höflichkeitsduell – wer zuerst das Quartier wählt – bezogen mein Herr und ich einen hellen Raum mit Fenstern zum Rasen.
    Ich holte das Arbeitsjackett des Herrn und die Schuhe mit der lautlosen Kautschuksohle aus dem

Weitere Kostenlose Bücher