Das Halsband des Leoparden
Räume von Mademoiselle Des Essarts: ihr Boudoir, ein entzückendes Kabinett mit Kinderfotos an den Wänden, ein Handarbeitszimmer, die Kammer des Stubenmädchens. Früher waren dies die Appartements von »Mütterchen« gewesen, darum gab es im zweiten Stock keinerlei Wunderlichkeiten, mit Ausnahme des uns bereits bekannten spaltartigen Zugangs zum Turm, wohin sich der Des Essarts senior vor dem Zorn seiner Gattin zurückzuziehen pflegte. Dafür herrschte im Sockelgeschoss, das wir über eine schmale, steile Treppe erreichten, der Geist des unvergesslichen »Papas« buchstäblich überall.
Hier war es recht dunkel, das winterliche Tageslicht drang kaum durch die winzigen vergitterten Fenster, und der Hausherr schaltete die elektrischen Lampen ein. Bekanntlich hat diese in jeder Hinsicht großartige Beleuchtung einen Mangel, den die Ingenieure der Zukunft zweifellos beheben werden: Infolge der Spannungsschwankungen flackert das elektrische Licht häufig. Einige Lampen verloschen sogar ganz. Des Essarts knipste nervös am Schalter, und es wurde wieder hell. Übrigens hatten sowohl Holmes wie auch Fandorin Taschenlampen dabei, sodass die beiden Detektive ihre Arbeit während dieser erzwungenen Verzögerungen fortsetzten.
Ich will versuchen, die Räume im Souterrain der Reihe nach zu beschreiben, was nicht ganz einfach ist, da der Grundriss ziemlich verwinkelt war.
Zuerst gelangten wir in ein hübsches kleines Zimmer, das ganzmit Eiche getäfelt war – Des Essarts bezeichnete es als »Orgelzimmer«. In eine Wand war in der Tat eine kleine Orgel eingelassen.
»Ein wunderschönes Exemplar eines Salonpositivs«, erklärte Holmes mit Kennerblick, strich sanft mit der Hand über den polierten Deckel, öffnete ihn und ließ die Finger über die Tasten gleiten. Das Instrument klang klirrend und verstimmt, aber die Akustik war ausgezeichnet – ich bemerkte erst jetzt, dass der Raum keine Fenster hatte.
»Ich kann nicht musizieren, aber Papa war ein echter Musikliebhaber«, sagte Des Essarts. »Oft schloss er sich hier ein und spielte und spielte. Der Raum ist vollkommen schalldicht, denn Mütterchen litt unter Migräneanfällen. Meinen Sie, das Versteck könnte sich hier befinden?«
Diese Frage stellte er jedes Mal, wenn einer von uns irgendwo stehenblieb.
Ich versuchte, die Orgel zu verrücken, doch sie war fest installiert.
An der Wand hing ein goldgerahmter Kupferstich: ein spöttisch lächelnder Mephistopheles. Ich schaute hinter das Bild und berührte den Haken, an dem es hing.
Die anderen waren schon weitergegangen, nur Mr. Shibata malte Krakel auf eine Rolle Reispapier.
»Ich habe Angst, etwas zu vergessen«, erklärte er mir.
Hinter dem Orgelzimmer lag ein Weinkeller – der durfte schließlich in keinem französischen Haus fehlen.
»Ist da auch Wein drin?« Fandorin zeigte auf die riesigen Eichenfässer an der hintersten Wand.
»Die sind leer. Bosquot hat hineingesehen. Meinen Sie, man sollte sie beiseite rollen? Aber die dicke Staubschicht darauf ist völlig unberührt!«
Eingehend besichtigten wir den Heizungskeller, leuchteten auch in den Feuerungsofen hinein.
Wir untersuchten die Küche, von der in früheren Zeiten ein hydraulischer Aufzug die Speisen hinauf ins Speisezimmer transportiert hatte. Nun war der Mechanismus (»Papas ganzer Stolz«) außer Betrieb.
Je tiefer wir in den Keller vordrangen, desto verwahrloster wurden die Räume.
Einer war voller kaputter Möbel. In einem anderen standen sonderbare menschengroße Puppen mit Schnurrbärten aus Werg und Knopfaugen. Sie waren mit Watte ausgestopft und ruhten statt auf Beinen auf Holzgestellen.
Ich hob eine davon an – sie war ganz leicht.
»Die sind aus Papas Ankleideraum. Er schätzte es, wenn seine Gehröcke und Fräcke nicht die geringste Falte hatten. Meinen Sie, die Puppen könnten etwas mit dem Code zu tun haben?«
Der Staub brachte mich zum Niesen.
»Wohl kaum«, antwortete Holmes an meiner Stelle. »Gehen wir weiter.«
Es folgte eine Kammer, in der sich Käfige und Fallen türmten und an den Wänden zahlreiche Netze rätselhafter Bestimmung hingen.
»Das ist alles, was von Papas Tiergehege übrig ist«, sagte Des Essarts traurig. »Davon erzählte ich Ihnen ja bereits. Im Park gab es früher einen kleinen Zoo mit Tieren, die Papa selbst gefangen hatte.«
Fandorin griff nach einer raffinierten Schlinge aus dünner Seide, die bequem in seine Faust passte.
»Eine ausgezeichnete W-wildschweinfalle. Und die hier ist für
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