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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Wölfe.«
    »Sie verstehen etwas von Tierfallen?« fragte Holmes lebhaft.
    Ach, wie gut ich diesen eifersüchtigen Ton kannte! Ich wusste, dass mein Freund die Jagd und alles, was damit zusammenhing, verabscheute, doch der Gedanke, dass es Dinge gab, von denen ein anderer mehr verstand als er, war ihm unerträglich. Das ist vermutlichder eigentliche Grund für seine außerordentlich vielseitigen, wenn auch fragmentarischen Kenntnisse.
    »Ein wenig«, erwiderte der Russe. »Ich habe seinerzeit an einer Jagdexpedition auf den Ussuri-Tiger teilgenommen und von den sibirischen T-tierfängern einiges gelernt.«
    In Holmes Augen blitzte echter Neid auf. Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
    »Sie meinen, wir müssen den Schlüssel hier suchen?« Des Essarts beobachtete gespannt, wie Fandorin geschickt ein seidenes Netz entwirrte.
    Doch der Russe schüttelte den Kopf, und wir gingen weiter. An der nächsten Kurve holte er uns wieder ein, an der Schwelle eines großen und einst offenkundig luxuriös eingerichteten Zimmers. Auf dem Boden lag ein abgenutzter Teppich, in der Ecke fristete eine ausgeblichene Ottomane ihr Dasein.
    »Hier hat Papa Opium geraucht«, erklärte der Hausherr verlegen lächelnd. »Zu seiner Zeit galt das nicht als verwerflich. Erinnern Sie sich: der Graf von Monte Christo, die schöne Haydee und Ähnliches. Sehen Sie, hier ist eine ganze Sammlung von Pfeifen.«
    Ich warf einen Blick auf Holmes, der interessiert die Glasvitrine betrachtete. Dann öffnete er sie mit Erlaubnis des Hausherrn und nahm eine persische Pfeife aus gelbem Holz in die Hand.
    »Die ist für eine bestimmte Sorte Haschisch, solche Pfeifen habe ich in Kandahar gesehen«, murmelte er.
    »Sie verstehen etwas von narkotischen Stoffen?«, fragte Fandorin interessiert, woraus ich ersah, dass er meine »Studie in Scharlachrot« nicht gelesen hatte, in der ich die verwerfliche Gewohnheit erwähne, von der mein Freund späterhin mit solcher Mühe loskam.
    Des Essarts aber rief: »Aha, Sie finden dieses Zimmer auch verdächtig! Ich habe es Zoll für Zoll untersucht, aber nichts entdeckt!«
    Doch Holmes schwieg, und wir setzten die Besichtigung fort.
    Ich widmete meine Aufmerksamkeit nach wie vor den Wänden und der Decke, die im Keller zum Glück recht niedrig war. Auf den Treppen und in den Fluren waren die Wände übrigens weiß gekalkt, so dass ich meine Hand von Zeit zu Zeit mit dem Taschentuch abwischen musste. Aber da ich mehrfach Holmes’ beifällige Blicke auffing, setzte ich meine Suche mit doppelter Gründlichkeit fort. Auch er selbst untersuchte hin und wieder die Wand mit der Lupe.
    Die Besichtigung dauerte sehr lange und brachte leider überhaupt nichts. Vom langsamen Gehen schmerzten meine Beine, und unser beleibter Gastgeber war vollkommen entkräftet.
    Als wir ins Erdgeschoss hinaufstiegen, war der kurze Wintertag bereits vorbei – draußen herrschte inzwischen vollkommene Dunkelheit, und Des Essarts betätigte den Generalschalter und drehte damit das Licht im ganzen Haus an.
    »Mein Gott, schon nach sechs!«, stöhnte er. »Ich lasse Sie allein, meine Herren. Ich hoffe, Sie lösen dieses verfluchte Rätsel, aber ich kann das Leben meiner Tochter nicht aufs Spiel setzen. Ich fahre zur Bank, das Geld holen. Der Direktor erwartet mich. Er möchte an diesem Abend bestimmt so rasch wie möglich bei seiner Familie sein. Richten Sie sich hier nach eigenem Gutdünken ein. Wie Sie Bosquot erreichen, wissen Sie ja.«

    Kaum war Des Essarts aufgebrochen, trennten wir uns rasch von unseren Verbündeten (oder besser Konkurrenten?). Fandorin und der Japaner gingen hinauf in ihr Zimmer – zweifellos, um ihre weiteren Pläne zu besprechen. Mich aber packte Holmes am Ärmel, sodass wir auf der Treppe blieben.
    »Sie werden auch hinaufgehen, aber etwas später«, sagte er, wobei er Wände und Decke betrachtete.
    Ich muss erwähnen, dass er während des Rundgangs ständig den Blick nach oben gerichtet hatte – ich hatte sogar überlegt, ob er vielleicht dort nach dem Versteck suchte.
    »An die Arbeit, Watson. Wir haben nur noch knapp sechs Stunden. Obwohl ich glaube, dass wir diesen Knoten sehr viel eher lösen werden.«
    Bei diesen Worten verspürte ich eine unglaubliche Erleichterung, denn ich hatte keine Ahnung, wie wir an die Sache herangehen sollten. In diesem verwinkelten Haus voller Gerümpel ein Geheimversteck zu finden schien mir gänzlich unmöglich, jedenfalls in so kurzer Zeit.

    Hier muss ich ein für mein

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