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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Splitstone fremd war, wurde er freigesprochen. Denn niemand konnte Dakota leiden, und das Wort der Tochter von Cork Callaghan hat schließlich auch Gewicht.«
    »Drei Kugeln in den K-Kopf?«, fragte Fandorin, den diese Anekdoteaus dem Wilden Westen sehr interessierte. Blutgierige Sitten hatten die hier!
    »Ja. Auf zehn Schritte! Ted ist nicht nur schnell, sondern auch treffsicher. Einmal, ist schon eine Weile her, habe ich eine richtige Schießerei in einem Korral gesehen. Sieben Männer haben wohl zwei Minuten lang aufeinander geballert, und immer nur vorbei. Einem wurde lediglich die Nasenspitze abgeschossen, und auch das von einem Querschläger. Aber Ted, wenn der die Waffe zur Hand nimmt, schießt nie daneben. Er arbeitet jetzt bei uns als erster Tophand, das ist der erste Gehilfe des Vormanns, der für die Herde verantwortlich ist. Mit den Rindern kommt Ted nicht so gut zurecht, aber die Leute hat er fest im Griff.« Miss Callaghan ballte ihre kleine, doch kräftige Faust. »Rustler wagen sich an unsere Herden nicht heran. Was gucken Sie so? Sie wissen nicht, was Rustler sind? Ihr aus dem Osten seid komische Leute. Rustler sind Diebe, die fremde Rinder stehlen und mit ihrem Brandzeichen markieren. Ach, schauen Sie!« unterbrach sie sich selbst. »Da ist schon Splitstone zu sehen! Ich steige an der Gabelung aus. Von hier ist es näher zu unserer Ranch. Danke fürs Mitnehmen. Sie sind sehr nett.«
    Als sie schon in ihrem eigenen Gefährt saß, blickte sie auf einmal den neben ihr stehenden Fandorin ernst an.
    »Wissen Sie was …« Sie verstummte, gleichsam unschlüssig. »Setzen Sie Ihren Zylinder auf, sonst verbrennen Sie sich den Kopf. Wir haben zwar schon September, aber die Sonne knallt noch ganz schön … Und noch was. Sie steigen doch in Splitstone ab? Was anderes gibt’s ja auch nicht. Da sind die Hotels ›Indianerkopf‹ und ›Great Western‹. Nehmen Sie ein Zimmer im ›Great Western‹, ja?«
    »Ist es das b-bessere Hotel?«
    »Nein, das schlechtere. Aber so ist es besser«, antwortete sie nebulös. »Versprechen Sie es mir!«
    »Aber warum soll ich im schlechteren absteigen?« Fandorin schmunzelte.
    »Versprechen Sie’s, und fertig. Geben Sie Ihr Ehrenwort als Gentleman.«
    Ihre riesengroßen Augen sahen ihn fast flehend an. Er konnte nicht ablehnen.
    »Gut, ich steig im ›Great Western‹ ab. Mein Ehrenwort.«
    »Und gehen Sie nicht hinaus. Was Sie brauchen, wird Ihnen aufs Zimmer gebracht.« Miss Callaghan schüttelte ihre märchenhaften Locken und ruckte am Zügel. »Hey! Los, los!«
    Zu guter Letzt rief sie ihm noch zu: »Wenn Sie Pferde brauchen, kommen Sie zu uns! Ich sag Bescheid, dass Ihnen ein reeller Preis gemacht wird!«

    Die Stadt der Cowboys

    »Stadt« ist ein stolzes Wort, das an Kreuzungen, Plätze, staatliche Einrichtungen und mindestens zwei- bis dreitausend Einwohner denken lässt. Splitstone hatte von alledem nichts. Die dem Dream Valley zunächst gelegene Stadt bestand aus einer einzigen Straße, über der gelber Staub wölkte. Zwei Reihen von Bretterhäusern, ebenerdig oder mit Obergeschoss, dahinter Pferdekoppeln und Scheunen.
    Fandorin war auf den Bock gestiegen, um einen besseren Überblick zu haben, und musterte die Siedlung, die unwohnlich am Hang eines steilen Hügels klebte.
    Der Kutscher hatte das Gesicht verzogen und sich von Splitstone abgewandt, um zu zeigen, dass ein so popeliger Anblick unter seiner Würde war.
    Masa sagte: »Bei uns in Russland würde man ein solches Kaff nicht mal ›Dorf‹ nennen, denn es hat ja nicht mal ne Kirche.«
    Eine Kirche gab es hier tatsächlich nicht, nur ein schäbiges Türmchen mit Glocke, doch ohne Kreuz. Zu Signalzwecken vielleicht?
    »Früher mal haben hier bestimmt viele Menschen gelebt«, teilteder Japaner weitere Beobachtungen mit und zeigte auf einen ausgedehnten Friedhof, der mit eingesunkenen Grabsteinen gespickt war. »Aber die meisten sind gestorben.«
    »Splitstone hat wohl bessere Zeiten gekannt?«, fragte Fandorin den Kutscher.
    »Das bezweifle ich, Sir. Bessere Zeiten hat’s hier nie gegeben und wird es kaum jemals geben.« Er spuckte angewidert aus. »Mit einem Wort: Cowboystadt.«
    Vor der Einfahrt prangte ein von Kugeln durchlöchertes großes Schild:

    Diese ewige Großmäuligkeit war der Charakterzug der Amerikaner, der Fandorin am meisten auf die Nerven ging. Bei ihnen war alles most, greatest oder zumindest einfach great, als wollten sie sich selbst von ihrer eigenen Größe überzeugen.
    Das einzige

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