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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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(Reisklöße, mariniertes Gemüse und grüner Tee), das Masa nun allein verspeisen würde.
    »Warum wollen Sie für das Hotel Geld ausgeben?«, knurrte der Vorsitzende, eilte voraus und hielt die Türhälfte auf. »Sie können doch bei uns im Tal wohnen.«
    »Hier ist der T-Telegraph«, erklärte Fandorin bündig und musterte die »Restauration«.
    Das Etablissement gehörte zur Kategorie der völlig anspruchslosen. In Russland würde man es nicht mal Kneipe nennen, sondern Kaschemme oder Bierstube, denn den meisten Raum nahm eine lange Theke mit Flaschen und Gläsern ein.
    Ein paar ungestrichene Tische mit derben Stühlen. Der Fußboden mit Sägespänen bestreut. An der Wand ein großer Spiegel, aber kaputt: genau in der Mitte ein Loch. An Schmuck nur von der Decke herabhängende Bündel von Zwiebeln und getrockneten Paprikaschoten sowie direkt über der Theke auf einem Regalbrett ein verstaubtes Glas mit einem zerzausten und schwarz angelaufenen eingelegten Kohlkopf.
    Seitlich gab es freilich hinter einer offenen Plüschportiere ein etwas besseres Zimmerchen mit einem Schild »For Ladies«, wohl der Raum, von dem Ashlean Callaghan erzählt hatte.
    Der Saloon war fast leer. Nur an einem Tisch saß eine kleine Gesellschaft von Kartenspielern – zwei Männer in einfachen karierten Hemden, ländliche Hüte auf dem Kopf, und zwei von städtischem Aussehen. Die Erstgenannten waren wohl Hiesige, beide bewaffnet. Bei einem der Gehrockträger war beim Zurücklehnen eine Ausbuchtung in der Achselhöhle zu sehen.
    »Zweifelhafte Herren«, raunte Lukow mit einem Seitenblick zu den Spielern.
    Fandorin blickte nicht hin, er hatte genug gesehen.
    »Als ›zweifelhaft‹ kann man solche bezeichnen, die Z-Zweifel wecken«, sagte er und setzte sich an den mit einem Tuch bedecktenTisch, in dessen Mitte eine bauchige Flasche prangte, die allerdings nicht Wein, sondern Whiskey enthielt. »Hier ist jedoch alles klar. Die beiden mit Chemisette, die einander mit ›Sir‹ anreden und so tun, als hätten sie sich grade erst kennengelernt, sind Falschspieler. Nach ihren Waffen zu urteilen außerdem R-Raufbolde. Schauen Sie, der eine hat einen Haufen Münzen gewonnen, und der andere soll gar kein Glück haben? Die beiden hiesigen Männer sind die dummen Opfer. Sollen sie. Das geht uns nichts an. Erzählen Sie, was sich so tut in Ihrem Tal.«
    »Nein, erst müssen Sie essen.« Lukow drehte sich zur Theke um und winkte. »Please, Mr.! Okay! Gleich kommt die Maissuppe. Dann ein dreipfündiges Steak. Als Nachspeise Kuchen mit Sirup. Aber trinken Sie doch! Ich schenke Ihnen ein.«
    Aus Höflichkeit aß Fandorin einen Löffel von der unappetitlichen Suppe, kostete von dem zähen Steak, schnitt den Kuchen durch und schob ihn zur Seite. Den Whiskey führte er zum Mund und stellte ihn wieder hin. Der Fusel, mit dem ihn der Heizer auf der Lok bewirtet hatte, war verglichen mit diesem Gesöff geradezu Dom Perignon.
    Kusma Lukow rieb sich die pummeligen Händchen, warf nervöse Blicke zu den Spielern und erzählte halblaut vom Unglück der armen Pazifisten.
    »Wir sind friedliche Menschen, lehnen jede
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ab, wir haben keine Waffen und verjagen sogar die Krähen nur mit Geschrei aus den Gärten. Der Landbesitzer Mr. Callaghan (er wird hier ›Viehbaron‹ genannt) kann sich nicht über uns beklagen. Die
rent
bezahlen wir pünktlich, und wir bemühen uns, mit den Nachbarn, den Celestianern, Streit zu vermeiden, obwohl sie, um die Wahrheit zu sagen, Dunkelmänner und Grobiane sind, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat.«
    »C-Celestianer?«, fragte Fandorin. »Der Colonel sprach von Mormonen.«
    »Es sind ehemalige Mormonen. Sie haben sich mit den Ihren zerstritten und sind vom Salzsee hierhergezogen. Celestial Brothers – Himmelsbrüder – so nennen sie sich, oder einfach Celestianer. Sie sind auch wirklich Brüder: der Apostel Moroni, der Älteste, und seine sechs jüngeren Brüder. Jeder hat Frauen und Kinder.«
    »Haben sich die Mormonen nicht von der Vielweiberei losgesagt?«
    »Die Mormonen schon, aber Moroni und seine Brüder nicht. Darum sind sie ja hierher in die Einöde gezogen, wo es, verzeih mir’s Gott, weder Gesetz noch Ordnung gibt. Und was hatten wir durch die zu leiden, Erast Petrowitsch! Bis wir darauf kamen, unsere Hälfte des Tals mit einem Zaun abzugrenzen. Lebt bei euch, wie ihr wollt, aber rührt unser
privacy
nicht an. Das haben sie als Amerikaner kapiert … Doch kaum hatten wir uns zusammengerauft mit den Kappen (die

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