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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Erinnerung ihrer Kindheit, einem Shoshonen-Überfall, von dem grässlichen Jahr im Pensionat von Washington, wieder von Pferden und von Rindern.
    Man hätte das Schnatterinchen als nettes Kind ansehen können, wenn ihr Benehmen nicht ein paar Besonderheiten gehabt hätte.
    Obwohl der Ventilator das Wageninnere mit einem angenehmen Lüftchen kühlte, erklärte Miss Callaghan, sie sterbe vor Hitze, und öffnete ein paar Knöpfe, da zeigten sich im Ausschnitt ihres Kleides zwei ganz unkindliche wogende Halbkugeln. Und eine Viertelstunde später schliefen ihr die Beine ein, sie zog die Schuhe aus und legte die Füße aufs Sofa, neben Fandorin.
    Daraus ließ sich folgern: Das junge Kätzchen spürte schon ihre weibliche Macht und erprobte sie enthusiastisch bei jedem halbwegs attraktiven Mann, um ihre Zähne und Krallen zu schärfen. Diese Koketterie durfte man keinesfalls ernst nehmen.
    Masa, der neben dem Kutscher saß, steckte zweimal seine abgeplattete Nase durch die Samtportiere hinter Miss Callaghan, rollte die Augen himmelwärts und zwinkerte vielsagend zum Alkoven hin, aber Fandorin runzelte nur drohend die Stirn.
    Wozu es verheimlichen, die harmlosen Manöver des schönen Mädchens ließen den Detektiv nicht gleichgültig. Zwar verbot er sich, in das aufgeknöpfte Kleid hineinzulinsen, aber als er einmal so tat, als ziehe er die Uhr aus der Westentasche, schielte er nach Miss Callaghans Füßen. Da sah er, dass sie sehr schlanke Fesseln hatte und höchst unkindliche schwarze Netzstrümpfe trug.
    »Sehen Sie doch, die B-Berge!«, rief er und blickte hinaus. »Wie schön!«
    Die Landschaft war in der Tat phantastisch schön. Der Himmel wechselte immer wieder die Farbe, wie um zu experimentieren, welche ihm am besten stand. Türkisblau ging ja noch. Aber Topas! Aber Smaragd! In der Ferne waren ebenso verschiedenfarbige Felsenzu erkennen, noch dazu von bizarrer Form. Im rechten Fenster war der Horizont von grünen Bergen gezackt, im linken abgerundet, und über die Steppe schien ein aus Goldfäden gewebtes Tuch gebreitet.
    »Ja, das Gras ist dieses Jahr besonders gut«, pflichtete Miss Callaghan ihm bei. »Unsere Longhorns haben in der Saison je anderthalb Stone Gewicht erreicht, wirklich wahr. Und in den Gebirgstälern steht das Gras bis hier.«
    Sie legte die Hand an die Büste, was ihrem Gesprächspartner die legale Möglichkeit bot, den Blick auf diesen hervorragenden Körperteil zu richten, aber Fandorin brachte die Willenskraft auf zu verzichten.
    Im Gegenteil, als er das Wort »Gebirgstäler« hörte, entschied er, es müsse Schluss sein mit den Dummheiten. Und es sei an der Zeit, über Ernstes zu reden.
    »Apropos G-Gebirgstäler. Ich will grade eines davon aufsuchen. Es heißt Dream Valley.«
    Er hatte erwartet, dass Miss Callaghan ihn nach dem Ziel seiner Fahrt fragen würde.
    »Dort leben Übersiedler aus Russland, Landsleute von mir«, fügte er erklärend hinzu.
    »Ich hatte Sie für einen Engländer gehalten«, sagte sie in singend-gedehntem Ton, wie im Westen gebräuchlich. »Ihr Englisch klingt sonderbar, als ob Sie mit der Schere Pappe zerschneiden. Sie haben im Dream Valley Verwandte, ja?«
    Und wie immer, ohne die Antwort abzuwarten, verkündete sie stolz: »Übrigens, das Tal gehört mir.«
    »Sie meinen, Ihrem Vater?«
    »Nein, mir. Papa sagt, das sei meine Mitgift. Er sagt, du bist mein dream girl, darum bekommst du das Dream Valley.« Das Fräulein verzog die schwellenden Lippen. »Er hätte auch was Besseres rausrücken können. Die Ranch, das Vieh, die Wertpapiere, das alleskriegen meine Brüder. Ich verstehe ja: Was er der Tochter gibt, ist raus aus dem Familienbesitz. Aber was mach ich mit dem Loch in den Bergen?«
    »V-Verkaufen. Wenn sich ein Käufer findet«, sagte Fandorin vorsichtig.
    Miss Callaghan prustete los.
    »Sie sind aber ein miserabler Heuchler. Da fahren Sie in Mr. Stars Kutsche ins Dream Valley und tun so, als ob Sie nicht wüssten, dass der Colonel das Tal für Ihre Landsleute kaufen will für zehntausend Böcke.«
    »Was denn für Böcke?«, fragte Fandorin verwundert, da er das Wort »bucks« 4 nicht kannte.
    »So nennen wir im Westen die Dollars. Denn früher, als hier noch Jäger zugange waren, wurde für ein Fell grade ein Dollar bezahlt … Ich würde das Tal ja verkaufen. Der Preis ist reell. Aber Papa will es auf keinen Fall. Wenn ich abkratze, sagt er, kannst du machen, was du willst, aber solange ich lebe, entscheide ich das. Das sagt er wegen Rattler 5

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