Das Halsband des Leoparden
es war an einem Dorn hängengeblieben.
Aber da, wo das Gras endete und der Boden felsig wurde, verlor sich die Spur, wie auch beim letzten Mal. Nachdem er da und dort gesucht hatte, gab er auf. Robert Pinkerton hatte recht gehabt, als er sagte: »Als Städter kommt man ohne die Hilfe eines örtlichen Spezialisten nicht zurecht.«
Also musste er den Spezialisten mobilisieren.
In Splitstone ging er zuerst ins Hotel, um sich frisch zu machen, das Hemd zu wechseln und um seinen Diener nach Neuigkeiten zu fragen.
»Da ist ein Zettel mit Krakelschrift von Ihrem Chinesen«, sagte der Portier.
»Japaner ist er.«
Der Zettel enthielt in säuberlichen Schriftzeichen folgende Nachricht:
8 Uhr 45 am Morgen des achten Tags des neunten Monats.
Schwarzer Mann ist im Schuppen, wo sein Pferd lebt. Er scheint auch da zu wohnen. Hat eine Flasche amerikanischen Sake ausgetrunken und schläft. Ich halte Wache. Der Schuppen ist hinter dem Glockenturm.
Ihr treuer Vasall Shibata Masahiro.
Fandorin trank im Erdgeschoss einen Kaffee (scheußlich wie überall in Amerika), dann begab er sich zu dem genannten Ort. Der Weg war nicht weit, vom »Great Western« wohl hundert Schritte.
Den Japaner würde er sicherlich nicht gefunden haben, wenn der nicht aus einem Heuschober gezischt hätte: »Herr, ich bin hier. Er ist dort.«
Aus dem Gewirr dürrer Halme tauchte eine Hand und zeigte mit kurzem dickem Finger auf einen wackeligen kleinen Schuppen, hinter dem schon die Prärie anfing.
Fandorin ging lautlos zu dem Schuppen und spähte durch eine Ritze.
Zunächst konnte er nach dem hellen Sonnenlicht nichts erkennen, er hörte nur ein gleichmäßiges Schnarchen mit pfeifenden Untertönen. Dann hatten sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt, und er erblickte in einer Ecke das graue Pferd; es war nicht angebunden und schnurpste Heu. Dabei wedelte es mit dem langen Schweif, um seinem Herrn, der friedlich bei seinen Hinterbeinen schlief, die Fliegen zu verscheuchen und für Frischluft zu sorgen.
Plötzlich hörte das Schnurpsen auf, das Pferd stellte die Ohren hoch und schielte mit vorquellendem Auge zu Fandorin. Es blähte die weichen Nüstern, drehte sich um und prustete dem Schläfer direkt ins Gesicht. Im selben Moment öffnete Washington Reid die Augen und setzte sich auf, und seine Hand hielt schon den Revolver.
Fandorin wich sacht von der Schuppenwand zurück.
»Was hast du denn, Alte?«, hörte er Reid knurren. »Langweilst dich wohl? Ich werd noch ne Runde pennen, in der Nacht kommen wir nicht zum Schlafen.«
Raschelnd legte er sich wieder hin.
»Nicht aus den Augen verlieren«, flüsterte Fandorin, am Schober vorbeigehend. »Am Abend komm ich wieder.«
Der Spezialist hatte bis zu Ende zugehört, gab aber keine Antwort. Er lehnt ab, dachte Fandorin und beobachtete, wie in dem von der Sonne verbrannten Gesicht Melvin Scotts die hellen Augenbrauen auf und ab gingen.
Der Pink nahm einen Zug aus der Flasche (die zum Glück noch mehr als halbvoll war) und öffnete endlich den Mund.
»Das geht nicht. Mr. Pinkerton schreibt in seinem Brief von Konsultation und Beratung. Hier aber kann man sehr leicht eine Kugel einfangen. Nein, nein, bitten Sie mich nicht.« Er schlug mit der Faust auf die Theke. »Wenn es um meine Haut geht, gibt es keinen dreißigprozentigen Rabatt. Fünf Dollar pro Tag, gleich auf die Hand und ohne wenn und aber. Gemacht?«
»Gemacht«, sagte Fandorin rasch. »Ich leg noch was d-drauf, wenn Sie mich zum Schlupfwinkel der Bande bringen. Aber wir müssen uns beeilen, um das Mädchen herauszuholen.«
Der Pink nahm einen Schluck.
»In solchen Fällen gilt: Eile mit Weile. Zumal ich aus Ihren Worten schließe, dass die Schöne nicht mehr ganz ein Mädchen ist. Also hat sie nicht viel zu verlieren.«
Fandorin musste sich zusammennehmen, um nicht aufzubrausen.
»Wie können Sie so r-reden? Sie ist schon zwölf Stunden in den Klauen der Banditen. Man weiß ja nicht, was sie dort mit ihr machen.«
»Doch, das weiß man«, entgegnete Scott kaltblütig und grinste. »Na schön, Sie brauchen mich nicht anzufunkeln. Was man tun kann, werden wir tun.«
Man muss gerecht sein – er war sehr schnell bereit zum Aufbruch.
Zwanzig Minuten später verließen zwei Reiter Splitstone und nahmen Kurs auf die Felsen. Sie ritten nicht schnell, doch daran war nicht der Pink schuld, sondern Fandorin, denn seine Fuchsstute wollte nicht im Trab gehen.
Den ganzen Weg über schwadronierte Scott und sprach dem Whiskey zu. Als
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