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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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dreifachen L-Lohn. Drittens. Also, reiten wir.«
    Scott sah ihn neugierig an.
    »Ich sehe, du bist wieder der Chef. Na ja, dein ›erstens, zweitens, drittens‹ klingt nicht schlecht. Aber ich finde, heute ist es schon zu spät.«
    »Macht nichts, den Ausgang aus dem Engpass kann man auch bei Mondschein belagern.«
    Statt einer Antwort zog Scott einen Revolver mit langem Lauf, zielte nach oben und schoss. Der Glockenklang blieb aus.
    »Ich sag doch, zu spät. Wir reiten morgen früh los, wenn ich den Rausch ausgeschlafen hab.«
    Fandorins Mundwinkel zuckte gereizt, aber da war nichts zu machen. Er war von diesem Mann abhängig.
    »Um wie viel U-Uhr?«
    »Ich habe keine Uhr.«
    »Und das da?« Fandorin zeigte auf die Goldkette, die dem Pink aus der Westentasche hing.
    »Für die Kette habe ich das Geld zusammengespart«, sagte Scott traurig, »aber für die Uhr reicht es noch nicht. Wenn die Sonne aufgeht, treffen wir uns beim letzten Haus.«
    Er gähnte, winkte zum Abschied und ging, die Füße nachziehend, in Richtung seines Ladens.

    Der Portier, als er den Logiergast erblickte, sprach die nämlichen Worte wie beim letzten Mal: »Da ist ein Zettel mit Krakelschrift von Ihrem Chinesen.«
    »Japaner ist er«, antwortete Fandorin mechanisch und entfaltete das Blatt.
    Diesmal war die Notiz ganz kurz: »Wir sind in der Sakaya.«
    Sakaya ist eine Stätte, wo Sake verkauft wird. Also war wohl der Saloon gemeint.
    Der ehemals weiße Anzug war vom Staub und besonders vom Gezappel am Rande des Abgrunds ruiniert. Fandorin musste den schwarzen anziehen.
    In der letzten Nacht hatte er kein Auge zugetan, und er hatte den ganzen Tag keinen Krümel gegessen. Ob er kommende Nacht würde schlafen können, stand dahin, doch warum sollte er nicht was essen?
    Er wusch und rasierte sich und ging über die Straße zum »Indianerkopf«.
    Dort war es voll und laut, an der Theke johlten und beschimpften sich die Cowboys, aber Fandorin sahen sie ohne Feindseligkeit an, denn war er auch keiner der Ihren geworden, so war er doch nicht mehr fremd.
    Der Wirt, der am Gürtel seines Gastes das nagelneue Halfter sah, sagte beifällig: »Ein Russian? Das ist was anderes. Man sieht gleich, ein richtiger Mann. Was nehmen Sie?«
    Das einzige unverdächtige Angebot der schmierigen Speisekarte waren Eier. Fandorin bestellte ein halbes Dutzend rohe Eier (das beste Mittel zur Wiederherstellung der Kräfte), dazu Brot und ein Glas Tee.
    »Sie sollten sich ein Beispiel nehmen an Ihrem Chinesen.« Der Wirt nickte respektvoll zu Masa hin, der in der hintersten Ecke tat, als ob er schlief, das heißt, er saß zurückgelehnt und hatte den Hut über die Augen gezogen. »Er hat zwei Steaks verdrückt, dazu einen Ring gebratene Wurst und zehn Bagel. Jetzt pennt er.«
    »Japaner ist er«, sagte Fandorin und setzte sich zu seinem Kammerdiener.
    Washington Reid war auch da, er saß zwei Tische weiter und würfelte mit einem Cowboy. Vor dem Neger lagen auf dem Tisch drei armselige Münzen, vor seinem Partner jedoch ein Haufen Silbergeld und Scheine.
    »Genug g-geschnarcht. Mit deiner Visage und deinem Appetit klappt die Konspiration nicht.«
    Masa richtete sich auf.
    »Lassen Sie mich melden, Herr. Der schwarze Mann hat im Schuppen bis drei geschlafen. Dann ist er gleich hierher. Anfangs hatte er viel Geld. Dann gar keins. Dann hat er bisschen gewonnen. Jetzt verliert er wieder.«
    »Ist das alles?«
    »Ja, Herr.«
    Die Eier wurden gebracht. Fandorin trank sie eins nach dem anderen aus. Aß ein Stück Brot dazu. Roch am Tee und ließ ihn stehen. Stand auf.
    »Deinen v-verquollenen Augen nach hast du dich auch ausgeschlafen. Ich aber kann k-kaum noch stehen. Ich geh ins Hotel.Das Fenster lass ich offen. Wenn was Interessantes ist, gib ein Signal.«
    »Den
Ruri
, gut?«
    Ruri, das ist ein kleiner japanischer Vogel von schönem Lasurblau. Sein Zwitschern klingt nicht besonders angenehm, dafür ist es unverwechselbar, zumal es in Wyoming keine Ruri gibt.

    Der Ruri zwitscherte zu ganz unpassender Zeit, er hinderte Fandorin, seinen wundersamen Traum zu Ende zu schauen: Er lebt als Bruder der Celestianer friedlich in dem paradiesischen Tal, umgeben von all den Frauen, die ihm in verschiedenen Jahren seines Lebens ihre Liebe geschenkt haben. Sie gehen schwesterlich zärtlich miteinander um, und sie haben es gemeinsam sehr schön.
    Fandorins diszipliniertes Bewusstsein hatte das Wachwerden verweigert, als vor dem Fenster Pferde wieherten oder besoffene Cowboys aufeinander

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