Das Halsband des Leoparden
sehen. Die schwarzen Haare hingen in Strähnen herab, der Hals endete in zerrissenen Hautfetzen.
»Was ist das?«
»Weiß man doch«, antwortete Reid in andächtigem Flüstern. »Der ›Indianerkopf‹. Von Gespaltenem Stein. Er steht seit dreißig Jahren im Saloon über der Theke. Glauben Sie ja nicht, ich hätte ihn zum Zaubern geholt. Nein, man kann sagen, zu einem guten Zweck. Aber wenn Sie wollen, stelle ich ihn zurück.«
Na, nun klärte sich das Bild. Dafür also hatten die Celestianer sechzig Dollar bezahlt.
»Glauben Sie etwa an das Gespenst, das den verlorenen Kopf s-sucht? Oder wollten Sie nur an dem Aberglauben verdienen?«
»Man hat den Häuptling gesehen! Mehr als einmal! Wissen Sie eigentlich, dass er schon einen der Mormonen in die Hölle geholt hat?«
Tatsächlich, dachte Fandorin. Der kopflose Reiter ist vielleicht ein Hirngespinst, aber der Tote im Eiskeller war echt. Was für eine Teufelei!
Der Neger sah sich um und sagte: »Und das ist erst der Anfang, denken Sie an meine Worte! Er wird uns nicht in Ruhe lassen, ehe er hat, was er will! Man muss Gespaltenem Stein seinen Kopf zurückgeben. Dann wird er sich davonmachen. Ich habe den Langbärten versprochen, ihnen den Kopf vor Tagesanbruch zu bringen. Denn der Kopflose zeigt sich immer in der Stunde des Frühnebels. Sie werden mich doch nicht verraten, Sir?«
Die wilde Geschichte hatte keinen direkten Bezug zu dem Auftrag von Colonel Star. Überdies stand morgen ein schwieriger Tag bevor. Aber Fandorin mochte keine ungelösten Rätsel. Besonders wenn sie mystisch waren.
Gottlob hatte er ein wenig schlafen können, und auch seine Fuchsstute hatte sich ausgeruht.
»Ich verrate Sie nicht. Mehr noch, ich reite m-mit.«
»Wirklich?«, rief Reid erfreut. »Ach, wär das schön! Ehrlich gesagt, mir rutscht das Herz in die Hose, wenn ich daran denke, dass ich diese Last durchs ganze Dream Valley schleppen soll, noch dazu in der Nacht … Aber wozu wollen Sie sich das aufladen? Sie machen sich bloß lustig über den alten Wash, oder?«
»Keineswegs. Ich will sehen, wie Gespaltener Stein seinen Kopf an sich n-nimmt«, sagte Fandorin mit ernster Miene. »Das wird gewiss ein einzigartiges Erlebnis.«
Der Schwarze schien tatsächlich Mut zu schöpfen.
»Zu zweit ist es halb so schlimm. Um die Wahrheit zu sagen, wenn ich nicht beim Spiel verloren und die Langbärte mir nicht einen Hunderter versprochen hätten, würde ich ihnen was gehustet haben … Aber in guter Gesellschaft ist das ganz was anderes. Wenn Sie erlauben, will ich nach meiner Peggy pfeifen. Gesattelt ist sie schon.«
»Hole meine Fuchsstute«, sagte Fandorin auf japanisch. »Und vergiss nicht, meine Büchse an den Sattel zu schnallen. Bei Tagesanbruch triffst du dich am letzten Haus mit dem Pinkerton-Agenten. Wir sehen uns im russischen Dorf.«
»
Hai
.«
Masa kam aus seiner Deckung und verbeugte sich. Wenn andere dabei waren, hielt er sich immer streng an die Etikette gegenüber seinem Herrn.
»Und noch was. Wir sind wieder im Staatsdienst. Als zeitweilige Gehilfen des hiesigen Polizeichefs. Diese Abzeichen heftest du morgen an unsere Sachen.«
Masa vergötterte wie alle Japaner die Attribute der Macht und nahm die beiden Blechsterne mit großer Ehrfurcht entgegen. »Sie hätten uns lieber Uniformen und Säbel geben sollen. Aber was willst du von Amerikanern schon erwarten? Ich werde diese Wappen wienern, dass sie heller glänzen als Gold«, versprach der Kammerdiener.
Der kopflose Reiter
»Na, da bin ich in den Norden abgehauen, ich hatte es satt, auf den Pflanzungen für umsonst den Buckel krumm zu machen. Als der Bürgerkrieg anfing, habe ich die roten Hosen angezogen und mich ins Erste South Carolina Regiment eingeschrieben, in dem nur Schwarze dienten. Danach bin ich in den Westen gefahren und habe Herden getrieben. In Texas wimmelt es von schwarzen Cowboys, und hier starren sie mich an.«
Washington Reid saß seitlich im Sattel und hatte sogar ein Bein übers andere geschlagen. Sein kluges Pferd Peggy ging zügig, doch fast ohne seinen Herrn zu schaukeln, und spielte nur mit den Ohren, als lauschte es der Erzählung. Fandorin kam der Gedanke, dass Reid es mit seinem Geplauder erfreute, auch wenn keine anderen Zuhörer in der Nähe waren.
»Ich habe eine Zeitlang Gold geschürft, in Bächen ausgewaschen und im Bergwerk danach gegraben. Von dem gelben Dreckzeug ist viel durch meine Hände gegangen, aber kein Krümel hängengeblieben. Alles verspielt, mit Karten und
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