Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
meine?«
»Ja, ich glaub schon«, meinte Arvin. Er dachte an die Zeit zurück, als Lenora ihm ein Bild mit dem Namen
Mona Lisa
in einem Buch gezeigt hatte. Sie hatte ihn gefragt, ob sie der blassen Frau darauf ähnlich sehe, und er war froh, dass er ihr damals gesagt hatte, sie sei schöner.
»Also, ich bilde mir gern ein, dass sich die Leute eines Tages meine Fotos anschauen und denken werden, dass sie genauso gut sind wie die Gemälde von diesen Typen. Die Bilder, die ich mache, Billy, sind ebenso Kunst wie das Zeug in den Museen. Waren Sie schon mal in einem Museum?«
»Nein«, antwortete Arvin. »Kann ich nicht behaupten.«
»Na, eines Tages vielleicht. Also, wie wär’s?«
»Wie wär was?«
»Warum steigen wir nicht aus, und Sie lassen mich ein paar Fotos von Ihnen und Sandy machen?«
»Nein, Mister, lieber nicht. Der Tag war lang, und ich muss wirklich weiter. Ich möchte es noch bis nach Meade schaffen.«
»Ach, kommen Sie schon, Junge. Dauert nur ein paar Minuten. Wie wär’s, sie zieht sich für Sie aus?«
Arvin griff nach dem Türöffner. »Schon in Ordnung«, sagte er. »Ich gehe einfach zur Straße zurück. Sie bleiben hier und machen so viele Fotos, wie Sie wollen.«
»Nein, warten Sie, verdammt«, sagte Carl hastig. »Ich wollte Sie nicht verärgern. Aber was soll’s, fragen tut ja nicht weh, oder?« Er legte die Kamera auf den Sitz und seufzte. »Na gut, ich geh mal schnell pinkeln, dann verschwinden wir von hier.«
Carl wuchtete seinen massigen Körper aus dem Wagen und ging zum Heck. Sandy zog eine Zigarette aus der Schachtel. Arvin sah, wie ihre Hände zitterten, während sie mehrmals versuchte, ein Streichholz anzureißen. Plötzlich durchfuhr eine un-bestimmte Ahnung seine Eingeweide wie ein Messer. Er zog die Luger aus dem Hosenbund seines Overalls, als er Carl sagen hörte: »Aussteigen, Junge.« Der fette Kerl stand zwei Meter von der hinteren Seitentür entfernt und richtete eine langläufige Pistole auf ihn.
»Wenn Sie Geld wollen«, sagte Arvin, »ich hab ein bisschen was.« Er schob die Sicherung seiner Waffe beiseite. »Das können Sie haben.«
»Ach, auf einmal willst du nett sein, wie?« spottete Carl und spuckte ins Gras. »Ich sag dir was, du kleiner Wichser, du behältst dein Geld noch für eine Weile. Sandy und ich werden uns darum kümmern, wenn wir die verdammten Fotos gemacht haben.«
»Sie sollten besser tun, was er will, Billy«, sagte Sandy. »Er kann sich ziemlich aufregen, wenn man nicht gehorcht.« Als sie ihn ansah und mit ihren verrotteten Zähnen anlächelte, nickte Arvin und drückte die Tür auf. Bevor Carl noch begriff, was der Bursche in der Hand hielt, hatte ihm die erste Kugel schon den Magen zerfetzt. Die Wucht der Kugel wirbelte ihn herum. Er stolperte drei, vier Schritte zurück und fing sich wieder. Er versuchte, die Pistole zu heben und zu zielen, doch dann traf ihn eine weitere Kugel in die Brust. Er fiel mit vollem Gewicht rücklings zu Boden. Carl konnte die .38er zwar noch in seiner Hand spüren, aber seine Finger versagten den Dienst. Aus weiter Ferne hörte er Sandys Stimme. Es hörte sich an, als würde sie seinen Namen immer und immer wieder sagen: Carl, Carl, Carl. Er wollte ihr antworten, dass er dieses Chaos immer noch bereinigen konnte, wenn er nur eine Weile ausruhte. Etwas Kaltes überkam ihn. Er hatte das Gefühl, sein Körper würde in einem Loch versinken, das sich unter ihm auftat, und das machte ihm Angst, dieses Gefühl, dass ihm die Luft entzogen wurde. Er biss die Zähne zusammen und bemühte sich, wieder herauszukriechen, bevor er zu tief darin versank. Er spürte, wie er wieder hochkam. Ja, bei Gott, er konnte das alles klären, und dann würden sie damit aufhören. Er sah die beiden kleinen Jungen auf ihren Rädern vorbeifahren und winken. Keine Bilder mehr, wollte er zu Sandy sagen, aber er hatte Mühe, den Atem dafür zu finden. Dann hockte sich etwas mit riesigen schwarzen Flügeln auf ihn und drückte ihn wieder hinab, und sosehr er auch die linke Hand ins Gras und in die Erde krallte, um nicht weiter in die Tiefe zu gleiten, er konnte es diesmal nicht aufhalten.
Als die Frau anfing, den Namen des Mannes zu schreien, drehte sich Arvin um und sah sie auf dem Vordersitz in ihrer Handtasche wühlen. »Tun Sie das nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf. Er trat vom Wagen zurück und richtete die Luger auf sie. »Ich flehe Sie an.« Schwarze Mascaraschlieren flossen ihr übers Gesicht. Sie rief noch einmal den Namen
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