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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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ich habe mir nach Theodores Tod geschworen, von nun an ein ehrenwertes Leben zu führen, und daran werde ich mich halten.«
    »Ach, komm schon, Schätzchen«, säuselte Sandy. »Wir machen nur ein paar Bilder, dann wird uns der große dumme Kerl in Ruhe lassen.«
    »Gute Frau, schauen Sie mich an. Mich hat man durch die Mühle gedreht. Verdammt, ich kann mich nicht mal an die Hälfte der Orte erinnern, an denen ich war. Wollen Sie wirklich, dass diese Hände Sie anfassen?«
    »Du Mistkerl tust, was ich dir sage«, zischte Carl.
    Roy schüttelte den Kopf. »Nein, Mister. Die letzte Frau, mit der ich zusammen war, war ein Flamingo, und dabei bleibt es auch. Theodore hatte Angst vor ihr, also hab ich es für mich behalten, aber Priscilla war tatsächlich ein Vogel.«
    Carl lachte und warf seine Zigarre fort. Was für ein Chaos. »Okay, sieht so aus, als hätten wir hier einen total Durchgeknallten.«
    Sandy stand auf und zog sich wieder an. »Lass uns verschwinden, verdammt noch mal«, sagte sie.
    Kaum hatte Roy sich umgedreht und gesehen, wie die Frau zum Wagen ging, da spürte er den Lauf der Pistole an der Schläfe. »Denk gar nicht erst daran zu fliehen«, warnte ihn Carl.
    »Keine Sorge«, sagte Roy. »Meine Tage auf der Flucht sind vorbei.« Er schaute zum Himmel und suchte sich einen kleinen Flecken Blau zwischen den dichten grünen Ästen der Kiefern. Ein weißer Wolkenfetzen zog vorbei. So wird der Tod sein, sagte er sich. Ich treibe hinauf in die Luft. Daran ist nichts Schlimmes. Roy lächelte. »Ich schätze, Sie lassen mich nicht mehr einsteigen, richtig?«
    »Da hast du recht«, antwortete Carl. Er wollte schon abdrücken.
    »Noch was«, sagte Roy mit drängender Stimme.
    »Was denn?«
    »Sie heißt Lenora.«
    »Wovon zum Teufel sprichst du?«
    »Mein kleines Mädchen.«

46.
    Kaum zu fassen, aber der verrückte Hund in dem verdreckten Anzug hatte fast hundert Dollar in der Tasche. Carl und Sandy aßen Barbecue im Schwarzenviertel von Knoxville, die Nacht verbrachten sie in einem Holiday Inn in Johnson City, Tennessee. Wie immer ließ sich Sandy am nächsten Morgen ausgiebig Zeit. Als sie endlich verkündete, sie sei so weit, hatte Carl üble Laune. Abgesehen von den Fotos des Jungen in Kentucky war das meiste, was er diesmal gemacht hatte, Schrott. Alles war schiefgelaufen. Carl hatte die ganze Nacht auf einem Stuhl am Fenster im zweiten Stock gesessen, auf den Parkplatz hinuntergeschaut und einen Hundepimmel in den Fingern gedreht, bis er zerbröselte. Er suchte nach Zeichen, vielleicht hatte er etwas übersehen. Aber nichts sprang ihm entgegen, mal abgesehen von Sandys zumeist beschissen lustloser Einstellung und dem Ex-Knacki, der davongekommen war. Er schwor sich, nie wieder im Süden zu jagen.
    Gegen Mittag kamen sie ins südliche West Virginia. »Hör mal«, sagte er, »wir haben noch einen halben Tag. Wenn es irgendwie machbar ist, möchte ich noch einen Film vollschießen, bevor wir nach Hause kommen, irgendetwas Gutes.« Sie hatten an einem Rastplatz gehalten, damit er den Ölstand kontrollieren konnte.
    »Na, dann los«, sagte Sandy. »Hier gibt’s alle möglichen Motive.« Sie wies aus dem Fenster. »Schau, da ist gerade ein Hüttensänger im Baum gelandet.«
    »Witzig«, sagte er nur. »Du weißt, was ich meine.«
    »Ist mir egal, was du machst, Carl, aber ich möchte heute Abend in meinem eigenen Bett schlafen.«
    »In Ordnung.«
    In den folgenden vier oder fünf Stunden trafen sie auf keinen einzigen Tramper. Je näher sie Ohio kamen, umso unruhiger wurde Carl. Immer wieder sagte er zu Sandy, sie solle langsamer fahren, mal eine Pause einlegen und die Beine bewegen, ein paar Mal schlug er vor, einen Kaffee trinken zu gehen, nur um seine Hoffnungen noch ein wenig länger am Leben zu erhalten. Als sie durch Charleston fuhren und auf Point Pleasant zukamen, waren seine Enttäuschung und die Zweifel groß. Vielleicht war der Ex-Knacki wirklich ein Zeichen. Wenn, dann konnte es nur eins bedeuten: Sie sollten aufhören, solange sie noch konnten. Daran dachte er, als sie sich der langen Schlange an Autos näherten, die darauf wartete, die silberne Metallbrücke nach Ohio zu überqueren. Dann sah er einen gut aussehenden, dunkelhaarigen Jungen mit einer Sporttasche am Bürgersteig stehen, sieben oder acht Wagen vor ihnen. Der Junge beugte sich vor, als wollte er die Abgase und den Gestank des Flusses einatmen. Der Verkehr bewegte sich ein paar Meter, dann blieb wieder alles stehen. Jemand hinter

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