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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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heißen Sie denn, Schätzchen?« fragte sie Arvin, nachdem der Polizist sie durchgewunken hatte.
    Arvin entwich ein Seufzer. Er hätte wetten können, dass die Frau noch die Polizei auf sich aufmerksam machen würde. Er sah sie sich noch einmal an. Sie war spindeldürr und wirkte schmuddelig. Ihr Gesicht war mit zu viel Make-up überbacken, und ihre Zähne waren dunkelgelb verfärbt von zu vielen Zigaretten und zu wenig Pflege. Vom Vordersitz stieg ein starker Geruch nach Schweiß und Schmutz auf; Arvin überlegte, dass die beiden dringend mal ein Bad nötig hätten. »Billy Burns«, antwortete er. So hieß der Düngerverkäufer.
    »Ein hübscher Name«, sagte Sandy. »Wo kommen Sie denn her?«
    »Tennessee.«
    »Und was wollen Sie in Meade?« fragte Carl.
    »Ach, nur einen Besuch abstatten, mehr nicht.«
    »Haben Sie dort Familie?«
    »Nein«, antwortete Arvin. »Ich hab dort vor langer Zeit mal gewohnt.«
    »Hat sich wahrscheinlich nicht sehr verändert«, sagte Carl. »Die meisten kleinen Städte verändern sich nie.«
    »Und wo kommen Sie her?«
    »Wir sind aus Fort Wayne. Haben in Florida Urlaub gemacht. Wir lernen gerne neue Leute kennen, stimmt’s?«
    »Aber sicher«, sagte Sandy.
    Sie hatten gerade das Schild passiert, das die Grenze zu Ross County markierte, als Carl auf die Uhr sah. Sie hätten wahrscheinlich schon längst anhalten sollen, aber er kannte eine sichere Stelle in der Nähe, wo sie den Kerl erledigen konnten. Carl hatte sie im letzten Winter bei einer seiner Fahrten entdeckt. Meade war nur noch zehn Meilen entfernt, und es war bereits nach sechs Uhr. Das hieß, sie hatten nur noch etwa neunzig Minuten anständiges Licht. Carl hatte bisher noch nie diese Regel gebrochen, aber jetzt hatte er sich dazu entschlossen. Heute Nacht würde er in Ohio einen Mann umlegen. Verdammt, wenn es klappte, konnte er die Regel eventuell ganz sausen lassen. Vielleicht ging es genau darum bei dem Burschen, vielleicht aber auch nicht. Er hatte nicht genug Zeit, darüber nachzudenken. Er drehte sich in seinem Sitz um und sagte: »Billy, meine alte Blase will nicht mehr so wie früher. Wir machen mal eine Pinkelpause, okay?«
    »Na klar. Ich bin froh, dass Sie mich mitnehmen.«
    »Da vorn geht eine Straße rechts ab«, sagte Carl zu Sandy.
    »Wie weit?« fragte sie.
    »Eine Meile vielleicht.«
    Arvin beugte sich ein wenig vor und blickte an Carls Kopf vorbei durch die Windschutzscheibe. Er entdeckte keinerlei Anzeichen für eine Abzweigung, und er fand es ein wenig merkwürdig, dass der Mann von der Straße wusste, obwohl er nicht aus der Gegend war. Vielleicht hat er eine Straßenkarte, sagte er sich. Er lehnte sich wieder zurück und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft. Abgesehen davon, dass die Hügel kleiner und runder waren, sah es fast so aus wie in West Virginia. Arvin fragte sich, ob schon jemand Teagardins Leiche gefunden hatte.
    Sandy bog von der Route 35 auf eine Lehm- und Schotterpiste ab. An der Einmündung kamen sie an einem großen Farmhaus vorbei. Nach einer weiteren Meile wurde sie langsamer und fragte Carl: »Hier?«
    »Nein, fahr weiter«, antwortete Carl.
    Arvin richtete sich auf und sah sich um. Seit der Farm waren sie an keinem weiteren Haus mehr vorbeigekommen. Die Luger drückte ihm in den Unterleib, und er schob sie ein wenig zurecht.
    »Das sieht gut aus«, sagte Carl schließlich und wies auf die kaum erkennbaren Spuren einer Zufahrt, die zu einem heruntergekommenen Haus führte. Offenkundig stand das Haus seit Jahren leer. Die wenigen Fenster waren eingeschlagen, die Veranda gab an einer Seite nach. Die Eingangstür stand offen und hing schräg an einem Scharnier. Auf der anderen Seite des Weges lag ein Maisfeld, die Stängel waren von der Trockenheit strohig und gelb geworden. Kaum hatte Sandy den Motor abgeschaltet, öffnete Carl das Handschuhfach. Er zog eine hochwertige Kamera hervor und hielt sie so, dass Arvin sie sehen konnte. »Ich wette, Sie wären nie darauf gekommen, dass ich Fotograf bin, richtig?«
    Arvin zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich nicht.« Er konnte außerhalb des Wagens die Insekten im trockenen Unkraut sirren hören. Tausende.
    »Aber wissen Sie, ich bin keiner von diesen Trotteln, die blöde Fotos für Zeitungen machen, oder, Sandy?«
    »Nein«, antwortete sie und sah Arvin an, »ist er nicht. Er ist echt gut.«
    »Haben Sie schon mal von Michelangelo gehört oder von Leonardo …? Ach verdammt, jetzt hab ich den Namen vergessen. Wissen Sie, wen ich

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