Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
des Mannes und verstummte dann. Sie holte mehrmals tief Luft und starrte Carls Schuhsohlen an, während sie sich beruhigte. Sie sah, dass eine Sohle ein Loch hatte, so groß wie ein halber Dollar. Davon hatte er auf der ganzen Fahrt kein Wort gesagt. »Bitte«, sagte Arvin, dann sah er sie lächeln.
    »Scheiß drauf«, sagte sie leise, reckte eine Pistole über den Sitz und feuerte. Obwohl sie direkt auf die Körpermitte des Jungen zielte, blieb der einfach stehen. Ungestüm zog sie mit dem Daumen den Hahn zurück, doch bevor sie erneut abdrücken konnte, schoss Arvin ihr in den Hals. Die Kugel warf sie gegen die Fahrertür, die .22er fiel in den Fußraum. Sandy drückte die Hände gegen die Kehle und versuchte, den roten Strom, der sich aus der Wunde ergoss, zu stoppen. Sie hustete und spuckte einen Blutschwall auf den Sitz. Sie sah Arvin an. Die Augen weiteten sich ein paar Sekunden, dann gingen sie langsam zu. Arvin hörte, wie sie ein paar kurze Atemzüge machte, dann ein letztes, schweres Seufzen. Arvin konnte nicht fassen, dass die Frau ihn verfehlt hatte. Verdammt, sie war so nahe gewesen.
    Er setzte sich auf die Kante der Rückbank und übergab sich ins Gras zwischen seinen Füßen. Tiefe Verzweiflung überkam ihn, und er versuchte, sie abzuschütteln. Er trat auf den Weg und ging im Kreis umher. Dann steckte er die Luger wieder ein und kniete sich neben den Mann. Er griff unter ihn, zog ihm die Brieftasche aus der Hose, fand darin keinen Führerschein, dafür aber hinter ein paar Geldscheinen ein Foto. Plötzlich wurde ihm wieder schlecht. Es handelte sich um ein Bild der Frau, die in ihren Armen einen toten Mann wiegte wie ein Baby. Sie trug nur schwarze Unterwäsche. Über dem rechten Auge des Toten schien ein Einschussloch zu sein. Sie sah den Mann kummervoll an.
    Arvin steckte das Foto ein und ließ die Brieftasche auf die Brust des fetten Kerls fallen. Dann machte er das Handschuhfach auf, fand aber nur Straßenkarten und Filmdosen. Wieder horchte er, ob ein Wagen kam, und wischte sich den Schweiß aus den Augen. »Denk nach, verdammt, denk nach«, sagte er sich. Doch alles, was ihm einfiel, war, dass er so schnell wie möglich verschwinden musste. Er nahm seine Sporttasche und lief in westlicher Richtung in die verdorrten Maisreihen hinein. Nach sechs Metern blieb er stehen und machte kehrt. Er eilte zum Wagen zurück, fischte zwei der Filmdosen aus dem Handschuhfach und steckte sie in die Hosentasche. Dann nahm er ein Hemd aus der Tasche und wischte alles ab, was er vielleicht angefasst hatte. Wieder sirrten die Insekten.

48.
    Arvin beschloss, sich von den Straßen fernzuhalten; es war bereits nach Mitternacht, als er schließlich in Meade eintraf. Mitten in der Stadt, gleich neben der Main Street, entdeckte er ein gedrungenes Motel namens
Scioto Inn
, an dem das Schild ZIMMER FREI flackerte. Arvin hatte noch nie in einem Motel übernachtet. Der Portier, nicht viel älter als er selbst, sah sich auf einem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher, der in der Ecke stand, einen alten Film an,
Abbott and Costello
. Das Zimmer kostete fünf Dollar die Nacht. »Wir wechseln jeden zweiten Tag die Handtücher«, erklärte der Portier.
    Auf dem Zimmer zog sich Arvin aus, stellte sich lange unter die Dusche und schrubbte sich sauber. Nervös und zugleich erschöpft legte er sich auf das Bett und trank eine kleine Flasche Whiskey. Er war froh, dass er sie eingesteckt hatte. An der Wand fiel ihm ein Bild des gekreuzigten Jesus auf. Als er aufstand, um pinkeln zu gehen, drehte er das Bild um. Es erinnerte ihn zu sehr an jenes, das in der Küche seiner Großmutter hing. Gegen drei Uhr früh war er betrunken genug und schlief ein.
    Am nächsten Morgen wachte er um zehn Uhr auf; er hatte von der Frau geträumt. Sie hatte auf ihn geschossen, genau wie gestern Nachmittag, doch diesmal traf sie ihn direkt in die Stirn, und er war es, der starb, nicht sie. Die weiteren Einzelheiten blieben undeutlich, doch vielleicht hatte sie noch ein Foto von ihm gemacht, dachte er nachher. Beinahe wünschte er sich, es wäre tatsächlich so gewesen, als er zum Fenster ging und zwischen den Vorhängen hinauslinste; er rechnete schon halb damit, dass es auf dem Parkplatz vor Streifenwagen nur so wimmelte. Er beobachtete den Verkehr auf der Bridge Street und rauchte eine Zigarette, dann duschte er noch einmal. Nachdem er sich angezogen hatte, ging er zur Rezeption und fragte, ob er das Zimmer eine weitere Nacht behalten könne. Der Portier von

Weitere Kostenlose Bücher