Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
zu seinem Vater. Er wusste, das würde ihm Ärger einhandeln, aber das war ihm egal. »Ich werde nicht beten.«
Er wartete eine Weile auf eine Reaktion und sagte dann: »Hast du mich gehört?« Er trat an den Baumstamm heran und leuchtete die kniende Gestalt seines Vaters an. Dann berührte er ihn an der Schulter, und ein Messer fiel zu Boden. Willards Kopf kippte zur Seite und enthüllte die klaffende Wunde, die er von einem Ohr zum anderen quer durch seine Kehle geschnitten hatte. Das Blut floss am Baumstamm entlang und tropfte auf seine Anzughose. Eine leichte Brise zog über den Hügel und trocknete Arvin den Schweiß im Nacken. Über seinem Kopf knarzten Äste. Ein Flaum weißen Fells segelte durch die Luft. Ein paar Knochen, die an den Drähten und Nägeln hingen, klapperten leise gegeneinander und machten eine traurige, hohle Musik.
Durch die Bäume konnte Arvin einige Lichter in Knockemstiff brennen sehen. Er hörte irgendwo dort unten eine Wagentür zuklappen, dann ein einzelnes Hufeisen, das gegen eine Metallstange schlug. Arvin stand da und wartete auf den nächsten Wurf, doch nichts geschah. Es schienen tausend Jahre vergangen zu sein seit dem Morgen, als die beiden Jäger hier hinter Willard und ihm aufgetaucht waren. Arvin empfand Schuld und Scham darüber, dass er nicht weinte, aber er hatte keine Tränen mehr. Das lange Sterben seiner Mutter hatte ihn ausdörren lassen. Er wusste nicht, was er sonst machen sollte, also trat er um die Leiche seines Vaters herum, leuchtete mit der Taschenlampe voran und bahnte sich einen Weg durch den Wald.
8.
Um exakt neun Uhr an jenem Abend hängte Hank Bell das GESCHLOSSEN -Schild ins Vorderfenster von Maudes Laden und schaltete die Lichter aus. Er trat hinter den Schalter, nahm ein Six-pack Bier aus der Fleischtruhe und ging zur Hintertür hinaus. In seiner Brusttasche steckte ein kleines Transistorradio. Er setzte sich auf einen Gartenstuhl, öffnete ein Bier und zündete sich eine Zigarette an. Seit vier Jahren wohnte er in einem Campingwagen hinter dem Betongebäude. Er griff in die Hemdtasche und schaltete das Radio genau in dem Augenblick ein, als der Ansager bekannt gab, dass die Reds mit drei Runs im sechsten Inning zurücklagen. Sie spielten an der Westküste. Hank schätzte, dass es dort erst fünf Uhr war. Also, wie das mit der Zeit funktioniert, dachte er, ist schon komisch.
Er sah zu dem kleinen Trompetenbaum hinüber, den er gepflanzt hatte, als er im Laden anfing. Seitdem war der Baum um anderthalb Meter gewachsen. Es war ein Sprössling von dem Baum gewesen, der im Vorgarten des Hauses stand, in dem seine Mutter und er gewohnt hatten, bis sie starb; das Haus hatte er an die Bank verloren. Er war nicht ganz sicher, wozu er den Baum überhaupt eingepflanzt hatte. Noch ein paar Jahre höchstens, und er würde Knockemstiff hinter sich lassen. Das verriet er jedem Kunden, der zuhören wollte. Woche für Woche legte er etwas von den dreißig Dollar beiseite, die Maude ihm zahlte. Manchmal dachte er, er würde in den Norden ziehen, andere Male fand er, der Süden sei besser. Aber er hatte noch Zeit zu entscheiden, wohin. Er war ja noch jung.
Er sah zu, wie ein silbergrauer Dunst, nur ein paar Meter hoch, sich langsam über dem Black Run Creek erhob und die flache, felsige Wiese hinter dem Laden überzog, die zu Clarence Myers Kuhweide gehörte. Das war sein Lieblingsaugenblick, kurz nachdem die Sonne untergegangen war, und kurz bevor die langen Schatten verschwanden. Er konnte ein paar Burschen auf der Betonbrücke vor dem Laden johlen und rufen hören, wann immer ein Auto vorbeigefahren kam. Einige von ihnen hingen bald jede Nacht dort herum, ganz gleich bei welchem Wetter. Arm wie die Kirchenmäuse waren die alle. Sie wünschten sich nicht mehr vom Leben als einen fahrbaren Untersatz und eine heiße Mieze. Irgendwie fand Hank, das hatte auch etwas für sich, wenn man vom Leben so gar nichts wollte. Manchmal wünschte er sich, er wäre nicht so ehrgeizig.
Vor drei Tagen hatte das Beten auf dem Hügel endlich aufgehört. Hank versuchte, nicht an die arme Frau zu denken, die dort oben im Sterben lag, in ein Zimmer eingesperrt, wie man sich erzählte, während dieser Russell und sein Sohn halb den Verstand verloren. Verdammt, die beiden hatten manchmal den ganzen Ort verrückt gemacht, so wie sie jeden Morgen und jeden Abend stundenlang Gott anflehten. Nach allem, was er gehört hatte, war es eher irgendein Voodookram gewesen, nichts Christliches. Zwei
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