Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
mal nicht mehr war. Darüber mussten sie noch reden, ermahnte sie sich erneut. Die Medikamente hatten sie sehr vergesslich werden lassen.
»Aber jetzt geht’s dir ja wieder besser«, sagte Arvin. Er schob sich eine Handvoll Popcorn in den Mund. Er hatte seit Wochen nichts Warmes mehr gegessen.
»Ja, ich fühle mich zur Abwechslung mal richtig gut«, sagte sie und lächelte ihn an.
Schließlich schlief Charlotte gegen Mitternacht auf dem Schaukelstuhl ein und Willard trug sie ins Bett. Mitten in der Nacht wachte sie wieder auf und warf sich hin und her, während ihr der Krebs ein weiteres Loch durch den Leib fraß. Willard saß bis zum Morgen an ihrem Bett, und mit jeder neuen Schmerzwelle bohrten sich ihre langen Fingernägel tiefer und tiefer in das Fleisch seiner Hand. Das war der schlimmste Anfall bisher. »Keine Sorge«, sagte Willard immer wieder. »Bald wird alles wieder besser werden.«
Am nächsten Morgen fuhr er mehrere Stunden die Nebenstraßen ab und suchte in den Gräben nach neuen Opfergaben, fand aber nichts. Am Nachmittag fuhr er zum Schlachthof und kaufte zögerlich ein weiteres Lamm. Er musste langsam zugeben, dass das wohl alles nichts brachte. Auf dem Rückweg kam er ziemlich übellaunig an Dunlaps Büro vorbei, bremste plötzlich und brachte den Pick-up an der Böschung der Western Avenue zum Stehen. Autos fuhren hupend an ihm vorbei, doch er hörte sie nicht. Es gab etwas, das er bisher noch nicht probiert hatte. Er konnte nicht fassen, dass er nicht früher darauf gekommen war.
»Ich hatte Sie schon fast abgeschrieben«, sagte Dunlap.
»Ich hatte zu tun«, erwiderte Willard. »Hören Sie, wenn Sie immer noch reden wollen, können wir uns um zehn in Ihrem Büro treffen?« Willard stand in einer Telefonzelle in
Dusty’s Bar
auf der Water Street, nur ein paar Blocks nördlich von der Anwaltskanzlei. Der Uhr an der Wand zufolge war es fast fünf. Er hatte Arvin gesagt, er solle bei Charlotte im Krankenzimmer bleiben, es könne spät bei ihm werden. Er hatte dem Jungen eine Pritsche am Fußende des Bettes aufgebaut.
»Um zehn?« fragte der Anwalt.
»Früher kann ich nicht«, antwortete Willard. »Es liegt ganz bei Ihnen.«
»Okay«, sagte der Anwalt. »Bis dann.«
Willard kaufte eine Flasche Whiskey an der Bar, fuhr die folgenden Stunden im Wagen umher und hörte Radio. Er kam am
Wooden Spoon
vorbei, als der Diner gerade schloss, und sah einen dürren Teenager zusammen mit dem krummbeinigen alten Koch herauskommen, der schon am Grill gestanden hatte, als Charlotte dort noch kellnerte. Wahrscheinlich kann er immer noch keinen Hackbraten machen, der was taugt, dachte Willard. Er hielt an und tankte, dann fuhr er zur
Tecumseh Lounge
am anderen Ende der Stadt. Er setzte sich an die Bar, trank ein paar Bier, sah einem Kerl mit dicker Brille und einem dreckigen gelben Schutzhelm zu, der vier Mal hintereinander am Pooltisch gewann. Als Willard hinaus auf den Schotterparkplatz trat, ging die Sonne gerade hinter dem Schornstein der Papierfabrik unter.
Um neun Uhr dreißig saß er in seinem Pick-up auf der Second Street, einen Block östlich der Anwaltskanzlei. Ein paar Minuten später sah er, wie Dunlap vor dem alten Ziegelsteingebäude hielt und hineinging. Willard fuhr um den Block herum zur Hintergasse und parkte rückwärts an der Hauswand. Er holte ein paar Mal tief Luft und stieg aus. Hinter dem Sitz fand er einen Hammer, schob den Stiel in den Hosenbund und zog das Hemd darüber. Er sah sich in der Gasse um, dann ging er an die Hintertür und klopfte. Nach etwa einer Minute öffnete der Anwalt. Er trug ein verknittertes blaues Hemd und eine ausgebeulte graue Hose, die von roten Hosenträgern gehalten wurde. »Das ist klug, den Hintereingang zu nehmen«, sagte Dunlap. Er hielt ein Glas Whiskey in der Hand, und seine blutunterlaufenen Augen deuteten an, dass er schon ein paar Gläser getrunken hatte. Er drehte sich zu seinem Schreibtisch um, schwankte ein wenig und furzte. »Sorry«, sagte er, kurz bevor Willard ihm mit dem Hammer gegen die Schläfe schlug, ein widerliches Knirschen hallte durch den Raum. Dunlap fiel geräuschlos nach vorn um und riss ein Bücherregal mit sich. Das Glas, das er gehalten hatte, zersplitterte auf dem Boden. Willard beugte sich über den Körper und schlug erneut zu. Als er sicher war, dass der Mann tot war, lehnte er sich an die Wand und lauschte eine Weile. Draußen fuhren ein paar Autos vorbei, dann nichts mehr.
Willard zog ein paar Arbeitshandschuhe an,
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