Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
und lief über die Weide. Er dachte an seinen Wunsch, seine Mutter möge tot sein. Er rannte schneller.
Um drei Uhr früh war sein Hals ganz rau und wund. Sein Vater kam einmal vorbei, schüttete ihm einen Eimer Wasser über den Kopf und trug ihm auf, weiter zu beten. Arvin schrie um die Gnade Gottes, doch er spürte nichts, und es gab auch keine Gnade. Einige Bewohner in Knockemstiff schlossen trotz der Hitze ihre Fenster, andere ließen die Nacht über ein Licht brennen und beteten selbst mit. Snook Haskins Schwester Agnes saß in ihrem Sessel, lauschte der jammervollen Stimme und dachte an all die Ehemänner, die sie sich ausgedacht und im Geiste beerdigt hatte. Arvin sah zu dem toten Hund mit dem aufgeblähten, fast platzenden Bauch hinauf und den in den dunklen Wald starrenden Augen. »Kannst du mich hören, Jack?« fragte er.
Kurz vor Sonnenaufgang deckte Willard seine verstorbene Frau mit einem sauberen weißen Laken zu und ging betäubt vor Schmerz und Verzweiflung über die Weide. Er tauchte leise hinter Arvin auf, lauschte ein paar Minuten dem Gebet des Jungen, das nur noch ein Wispern war. Willard sah nach unten, bemerkte voller Abscheu das offene Federmesser, das er in der Hand hielt. Er schüttelte den Kopf und steckte es ein. »Na, komm schon, Arvin«, sagte er, und zum ersten Mal seit Wochen klang seine Stimme sanft. »Es ist vorbei. Deine Ma ist von uns gegangen.«
Zwei Tage später wurde Charlotte auf dem kleinen Friedhof außerhalb von Bourneville begraben. Auf dem Heimweg von der Beerdigung sagte Willard: »Ich glaube, wir machen eine kleine Reise. Wir fahren deine Grandma in Coal Creek besuchen. Vielleicht bleiben wir eine Weile dort. Du wirst Onkel Earskell kennenlernen, und das Mädchen, das bei ihnen wohnt, ist nur ein wenig jünger als du. Es wird dir dort gefallen.« Arvin erwiderte nichts darauf. Er hatte die Sache mit dem Hund noch immer nicht verwunden, und er war sicher, über den Tod seiner Mutter würde er nie hinwegkommen. Die ganze Zeit über hatte Willard versprochen, wenn sie nur hart genug beteten, würde alles gut werden. Als sie nach Hause kamen, fanden sie auf der Veranda an der Tür einen in Zeitungspapier eingewickelten Blaubeerkuchen. Willard trat hinaus auf die Weide hinter dem Haus. Arvin ging hinein, zog seine guten Sachen aus und legte sich aufs Bett.
Als er mehrere Stunden später wieder aufwachte, war Willard noch immer fort, was dem Jungen nur recht war. Er aß den halben Kuchen und stellte den Rest in den Kühlschrank. Er trat auf die Veranda, setzte sich in den Schaukelstuhl seiner Mutter und sah zu, wie die Abendsonne hinter dem Immergrün westlich des Hauses unterging. Er dachte an ihre erste Nacht in der Erde. Wie dunkel es dort sein musste. Er hatte einen alten Mann, der an einer Schaufel unter einem Baum gelehnt hatte, zu Willard sagen hören, dass der Tod entweder eine lange Reise oder ein langer Schlaf sei; sein Vater hatte zwar die Stirn gerunzelt und sich abgewendet, aber Arvin fand, das hörte sich richtig an. Er hoffte um seiner Mutter willen, dass der Tod ein wenig von beidem war. Es waren nur eine Handvoll Menschen zu der Beerdigung gekommen: eine Frau, mit der seine Mutter im
Wooden Spoon
gearbeitet hatte, und ein paar alte Damen aus der Kirchengemeinde. Irgendwo im Westen gab es angeblich eine Schwester, aber Willard wusste nicht, wie er sie benachrichtigen sollte. Arvin war noch nie auf einer Beerdigung gewesen, aber er hatte den Eindruck, dass diese zumindest keine große gewesen war.
Als sich langsam Dunkelheit über den überwucherten Hof legte, stand Arvin auf, ging ums Haus und rief mehrmals nach seinem Vater. Er wartete ein paar Minuten und dachte schon daran, wieder ins Bett zu gehen. Doch dann trat er ins Haus und holte aus der Küchenschublade die Taschenlampe. Erst schaute er in der Scheune nach, dann machte er sich auf den Weg zum Gebetsbaum. In den drei Tagen, seit seine Mutter gestorben war, war keiner von ihnen dort gewesen. Die Nacht brach schnell herein. Fledermäuse jagten auf der Weide nach Insekten, eine Nachtigall beobachtete Arvin aus ihrem Nest unter einer Heckenkirsche. Arvin zögerte, ging dann in den Wald und folgte dem Wildwechsel. Am Rande der Lichtung blieb er stehen und leuchtete umher. Er konnte seinen Vater am Baumstamm knien sehen. Der Gestank überkam Arvin, und er fürchtete, es könnte ihm schlecht werden. Er konnte schon den Kuchen in der Kehle schmecken. »Ich mach das nicht mehr«, sagte er mit lauter Stimme
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