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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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dass der Farmer hinter der Lastwagentür stand und durch das offene Fenster ein Gewehr auf ihn richtete. Er trug ein breites Grinsen auf seinem vom Wetter gegerbten Gesicht. »Sie reden von meinem Schwager«, sagte Carl mit ernster Stimme.
    »Von wem? Lee Bodecker?« Der Mann drehte den Kopf zur Seite und spuckte aus. »Ich an Ihrer Stelle würde das nicht überall herumerzählen.«
    Carl stand mitten auf dem Weg und starrte den Farmer an. Er hörte hinter sich eine Wagentür quietschen, Sandy stieg ein und warf die Tür zu. Einen Augenblick lang stellte er sich vor, einfach die Pistole zu heben und sich mit dem Mistkerl anzulegen, ein regelrechtes Duell. Seine Hand zitterte ein wenig, er holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Dann dachte er an die Zukunft. Es gab immer noch die nächste Jagd. Noch ein paar Wochen, und Sandy und er wären wieder unterwegs. Seit er die Republikaner im
White Cow
hatte reden hören, dachte er daran, einen von diesen Langhaarigen umzulegen. Den Nachrichten im Fernsehen nach zu urteilen, die er in letzter Zeit gesehen hatte, ging das Land unruhigen Zeiten entgegen; er wollte dabei sein. Nichts würde ihm mehr Freude bereiten, als zu sehen, wie das ganze Scheißhaus in Flammen aufging. Sandy hatte in letzter Zeit besser gegessen und nahm etwas zu. Sie verlor zwar rapide ihr gutes Aussehen – sie hatten ihre Zähne nicht machen lassen –, aber sie hatten als Team noch ein paar gute Jahre vor sich. Hatte keinen Sinn, das alles wegzuschmeißen, nur weil ein beschissener Farmer einen Ständer hatte. Er machte kehrt und ging zum Kombi.
    »Und lassen Sie sich hier ja nie wieder blicken, verstanden?« hörte Carl den Mann rufen, als er einstieg und Sandy ihre Pistole reichte. Er sah sich noch einmal um, als er den Motor anwarf, aber noch immer sah er keine verdammte Kuh.

5. TEIL
GOTTESMANN

31.
    Ab und zu, wenn die Gesetzeshüter zu streng wurden oder der Hunger zu groß, zogen sie landeinwärts, fort von dem Großen Wasser, das Theodore so liebte, damit Roy sich Arbeit suchen konnte. Während Roy ein paar Tage oder Wochen Obst pflückte, saß Theodore in einsamen Wäldchen oder unter schattigen Büschen und wartete jeden Abend auf Roys Rückkehr. Theodores Körper war nur noch eine Hülle. Seine Haut war schiefergrau, seine Sehkraft schwach. Er wurde ohne Grund bewusstlos, klagte über starke Schmerzen, bei denen ihm die Arme taub wurden, und über eine Schwere auf der Brust, die ihn manchmal sein Frühstücksfleisch und die halbe Flasche Wein von sich geben ließ, die Roy ihm morgens zur Gesellschaft hinstellte. Dennoch bemühte er sich jeden Abend, für ein paar Stunden wach zu sein, etwas Musik zu machen, auch wenn seine Finger nicht mehr so wollten. Roy umkreiste dann mit der Flasche in der Hand ihr Lagerfeuer und versuchte, die Wörter in Gang zu bringen, etwas direkt von Herzen Kommendes, und Theodore hörte zu und zupfte auf seiner Gitarre. Sie probten eine Weile für ihr großes Comeback, doch dann brach Roy meist auf seiner Decke zusammen, so geschwächt war er von der Arbeit auf den Obstplantagen. Nach ein, zwei Minuten schnarchte er bereits. Wenn er Glück hatte, träumte er von Lenora. Seinem kleinen Mädchen. Seinem Engel. In letzter Zeit dachte er immer öfter an sie, doch nur im Schlaf kam er ihr so nah.
    Wenn das Feuer heruntergebrannt war, stürzten sich die Moskitos wieder auf sie und trieben Theodore in den Wahnsinn. Roy störten sie überhaupt nicht, und Theodore wünschte sich, er hätte auch solches Blut. Eines Nachts wachte er auf, die Viecher summten ihm um die Ohren; er saß noch immer im Rollstuhl, die Gitarre lag auf dem Boden vor ihm. Roy schlief wie ein Hund zusammengerollt auf der anderen Seite der Asche. Seit zwei Wochen campierten sie nun an derselben Stelle. Überall auf dem toten Gras lagen kleine Haufen von Theodores Kot und Erbrochenem. »Oh Mann, wir sollten vielleicht mal daran denken, weiterzuziehen«, hatte Roy am Abend gesagt, als er von dem Laden an der Straße zurückkehrte. Er wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht. »Die Zeit wird langsam reif.« Das war vor ein paar Stunden gewesen, in der größten Tageshitze. Doch nun strich eine kühle Brise, die ganz leicht nach dem Salzwasser in vierzig Meilen Entfernung roch, durch die Blätter über Theodores Kopf. Er beugte sich vor und nahm die Weinflasche, die zu seinen Füßen stand. Er trank einen Schluck, verschloss die Flasche und sah zu den Sternen hinauf, die auf dem schwarzen Himmel lagen wie

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