Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
draußen noch recht frisch. Arvin schätzte ihn auf etwa dreißig Jahre, doch seine Frau schien erheblich jünger zu sein, keine zwanzig, ein schlankes, rankes Mädchen mit langen, in der Mitte gescheitelten rotbraunen Haaren und blasser, sommersprossiger Haut. Sie stand ein Stück von ihrem Mann entfernt, kaute Kaugummi und zog an ihrem weißen, gepunkteten Rock, der ständig ihren ansehnlichen runden Hintern hochrutschte. Der Prediger stellte sie immer wieder als »meine süße, rechtmäßige Braut aus Hohenwald, Tennessee« vor.
Teagardin wischte sich mit einem bestickten Taschentuch den Schweiß von der glatten, breiten Stirn und erwähnte eine Kirche in Nashville, in der er eine Weile gepredigt hatte. Dort hatte es eine Klimaanlage gegeben. Offenkundig war er mit der Wirkungsstätte seines Onkels unzufrieden. Himmel, es gab nicht mal einen einzigen Ventilator. Seine Stimmung sank sichtbar, und langsam wirkte er so müde und gelangweilt wie seine Frau, doch dann bemerkte Arvin, dass er wieder erheblich wacher wurde, als Mrs. Alma Reaster mit ihren beiden Teenagertöchtern Ann und Pamela Sue hereinkam. Die beiden waren vierzehn und sechzehn. Es war, als seien ein paar Engel in den Raum geflattert und hätten sich auf den Schultern des Predigers niedergelassen. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte einfach nicht die Augen von ihren gebräunten, straffen Körpern in den farblich aufeinander abgestimmten, cremefarbenen Kleidern lassen. Teagardin war plötzlich ganz inspiriert, sprach mit den Umstehenden darüber, eine Jugendgruppe zu gründen – was er auch schon mit großem Erfolg in mehreren Kirchen in Memphis getan habe. Er würde sein Bestes geben, so versprach er, die Jugend einzubinden. »Sie sind das Lebensblut jeder Kirche«, sagte er. Dann trat, während er weiter die Reaster-Mädchen anstarrte, seine Frau zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das ihn ziemlich aufregte, wie einige der Gemeindemitglieder beobachteten. Er schürzte seine roten Lippen und kniff ihr in die Innenseite des Arms. Arvin konnte sich nur schwer vorstellen, dass dieser notgeile, fette Kerl tatsächlich mit Albert Sykes verwandt war.
Arvin schlich hinaus, um zu rauchen, kurz bevor Emma und Lenora sich vorwagten und sich dem neuen Gottesmann vorstellten. Er fragte sich, wie sie wohl darauf reagieren würden, wenn der Prediger sie mit seinem »Sehr erfreut« begrüßte. Arvin stand mit ein paar Farmern, die Latzhosen und eng am Hals zugeknöpfte Hemden anhatten, unter einem Birnbaum und sah zu, wie weitere Personen in die Kirche eilten. Gleichzeitig lauschte er, wie die Farmer über die Fleischpreise für Kälber sprachen. Schließlich kam jemand an die Tür und rief: »Der Prediger möchte jetzt essen.«
Alle Anwesenden bestanden darauf, dass Teagardin und seine Frau als Erste wählen sollten, also griff sich der stämmige Kerl zwei Teller und ging an den Tischen entlang, roch vorsichtig am Essen, deckte Gerichte auf und steckte seinen Finger zum Kosten mal hier, mal dort hinein und machte eine Riesenschau für die beiden Reaster-Mädchen, die kicherten und sich etwas zuflüsterten. Dann blieb er plötzlich stehen und reichte die noch leeren Teller seiner Frau. Die Kneifstelle an ihrem Arm wurde bereits blau. Der Prediger sah zur Decke und streckte die Hand nach oben, dann wies er auf Emmas Hühnerleber-Pfanne. »Freunde«, sagte er mit lauter Stimme, »zweifellos sind heute Abend hier in dieser Kirche nur bescheidene Menschen, Sie alle waren sehr freundlich zu mir und meiner süßen, jungen Braut, und ich danke Ihnen allen aus tiefstem Herzen für den freundlichen Empfang. Nun, keiner von uns hat all das Geld und die schönen Autos und hübschen Kleider, die wir gern hätten, doch Freunde, die arme alte Seele, die diese abgewetzte Pfanne mit Hühnerleber mitgebracht hat, nun, sagen wir einfach, sie inspiriert mich zu einem kurzen Gebet, bevor wir uns zum Essen setzen. Erinnern wir uns daran, was Jesus vor so vielen Jahrhunderten zu den Armen von Nazareth gesagt hat. Natürlich geht es einigen von uns besser als den anderen, ich sehe viel weißes Fleisch und rotes Fleisch auf diesem Tisch, und ich nehme an, die Personen, die diese Gerichte mitgebracht haben, essen die meiste Zeit über ziemlich gut. Doch die Armen können nur bringen, was sie sich leisten können, und so manches Mal können sie sich gar nichts leisten; diese Innereien hier sind ein Zeichen für mich, das mir sagt, dass ich mich als der neue Prediger dieser
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