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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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nicht mit so einer gottverdammten Erbsenpistole. Carl war sich sicher, wenn er dem stinkenden alten Sack das Foto von dem Jungen zeigen würde, dann würde es sich der Trauerkloß zwei Mal überlegen, sich umzubringen; zumindest würde er nicht so ein Kaliber nehmen. Die Kellnerin hatte es toll gefunden, wie Carl dem alten Mann die Waffe abgenommen hatte, bevor der sich etwas antun konnte. Carl hätte sie in dieser Nacht auf dem Rücksitz des Kombis vögeln können, wenn er gewollt hätte – so wie sie immer wieder davon anfing, wie großartig er doch sei. Vor ein paar Jahren noch hätte er sich auf die kleine Schlampe gestürzt, doch inzwischen lockte ihn das nicht mehr besonders.
    »Was ist denn das?« fragte Sandy, als sie die Pistole neben dem Teller sah.
    »Nur für den Fall, dass mal was schiefläuft.«
    Sandy schüttelte den Kopf und schob die Waffe über den Tisch. »Es ist dein Job, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert.«
    »Ich sag doch nur …«
    »Hör mal, wenn du den Mumm dazu nicht mehr hast, sag’s ruhig. Aber gib mir wenigstens rechtzeitig Bescheid, bevor du uns noch beide umbringst«, fauchte Sandy.
    »Ich hab dir schon mal gesagt, hüte deine Zunge«, erwiderte Carl. Er blickte auf den Stapel Pfannkuchen, der kalt wurde. Sie hatte ihn nicht angerührt. »Und du wirst diese verdammten Pfannkuchen essen, hast du verstanden?«
    »Leck mich«, sagte Sandy. »Ich esse, was ich will.« Sie stand auf, und er sah zu, wie sie ihren Kaffee ins Wohnzimmer trug; dann hörte er den Fernseher angehen. Er nahm die .22er und zielte auf die Wand zwischen Küche und Sofa, auf das sie ihren dürren Hintern hatte plumpsen lassen. Er stand ein paar Minuten da, fragte sich, ob er wirklich abdrücken könnte, und legte die Waffe schließlich in eine Schublade. Den Rest des kalten Vormittags verbrachten sie damit, schweigend auf Kanal 10 einen Tarzan-Film-Marathon zu schauen, dann ging Carl ins
Big Bear
und holte einen großen Behälter Vanilleeis und einen Apfelkuchen. Sandy hatte schon immer Süßes gemocht. Und notfalls würde er es ihr eben reinstopfen, dachte er, als er an der Kasse bezahlte.
    Vor vielen Jahren hatte er mal einen Freund seiner Mutter sagen hören, in der guten alten Zeit habe ein Mann seine Frau verkaufen können. Wenn ihm das Geld ausging oder er die Schnauze voll von ihr hatte, konnte er sie mit einem Pferdehalfter um den Hals auf den Marktplatz schleifen. Sandy die Eiscreme reinzuzwingen wäre keine große Sache. Manchmal wussten die Frauen einfach nicht, was gut für sie war. Das galt auch für seine Mutter. Ein Mann namens Lyndon Langford, der klügste in der langen Reihe von Mistkerlen, mit denen sie sich in ihrer Zeit auf Erden eingelassen hatte, ein Fabrikarbeiter von GM in Columbus, der manchmal richtige Bücher las, wenn er sich vom Alkohol fernhalten wollte – er hatte dem kleinen Carl die ersten Lektionen in Fotografie erteilt. Vergiss nicht, hatte Lyndon ihm mal gesagt, die meisten Menschen lassen sich gern fotografieren. Die tun fast alles, was du willst, wenn du eine Linse auf sie richtest. Carl würde niemals das erste Mal vergessen, als er den nackten Körper seiner Mutter auf einem von Lyndons Bildern sah, mit Verlängerungskabeln ans Bett gefesselt, eine Pappschachtel über dem Kopf, mit zwei Löchern für die Augen. Dennoch, wenn er nicht trank, war Lyndon recht anständig gewesen. Doch dann hatte Carl alles versaut, als er eine Scheibe von dem Schinken aß, den Lyndon für die Tage, an denen er bei ihnen übernachtete, im Kühlschrank aufbewahrte. Auch seine Mutter verzieh ihm das nie.

30.
    Als Ohio wieder warm und grün wurde, machte sich Carl ernsthaft daran, die nächste Reise zu planen. Diesmal dachte er an den Süden, er wollte dem Mittleren Westen mal eine Pause gönnen. Die Abende verbrachte er damit, den Straßenatlas zu studieren: Georgia, Tennessee, Virginia, die beiden Carolinas. Fünfzehnhundert Meilen die Woche plante er stets ein. Normalerweise wechselten sie das Auto, wenn die Päonien blühten, doch diesmal entschied er, dass der Kombi noch gut genug für einen Ausflug war. Außerdem brachte Sandy nicht mehr so viel Geld nach Hause wie früher, als sie noch regelmäßig anschaffte. Das lag an Lee.
    Als sie eines Donnerstags nachts im Bett lagen, sagte Sandy: »Ich hab über die Knarre nachgedacht, Carl. Vielleicht hast du recht.« Sandy hatte zwar kein Wort verlauten lassen, aber sie hatte eine Menge über die Kellnerin im
White Cow Diner
nachgedacht. Sie

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